Die letzten Gerechten: Roman (German Edition)
Risikobereitschaft und heiliger Gerissenheit gelungen sei, sich in die antagonistischen Verschwörerkreise einzuschleichen, um den Papst zu retten. Noch listiger war die Behauptung, dass eine Fünfte Kolonne der Antagonisten eine bislang noch unbekannte Zahl von Erlösermönchen zu ihrer Ketzerreligion bekehrt habe und dass viele dieser Glaubensabtrünnigen sich zu wichtigen Positionen sowohl in Gants Triumphierenden Erlösern als auch in Parsis Heiligem Stuhl emporgearbeitet hätten. Damit seien sie in der Lage, ihren Meistern wichtige Geheimnisse einzuflüstern und harrten nur noch passender Gelegenheiten, die sich in Momenten der Schwäche unter den Gläubigen ergeben könnten. Die Protokolle gestanden auch zögernd ein, dass die Antagonisten in der Ordensburg trotz aller Bemühungen auf Grund der religiösen Reinheit von Boscos Erlösermönchen bislang kaum Fortschritte hatten erzielen können.
Bosco war zuversichtlich, dass die Protokolle so grobschlächtig wie die Zeichnung eines Vierjährigen vom Gehenkten Erlöser sein konnten, solange sie nur den Zweck erreichten, dass die Gläubigen von ihrer Echtheit überzeugt waren, und diese Annahme erwies sich als so richtig, wie er nur hatte hoffen können. Die Chance, dass die Leiche angeschwemmt wurde, stand ungefähr eins zu einer Million, und dass dies tatsächlich geschah, wurde als Beweis angesehen, dass es keine Verschwörung gegeben habe. So natürlich verlief das alles, dass die Frage, ob alles nur ein gewaltiger Schwindel sei, niemals aufgeworfen wurde. Der Heilige Stuhl und die Triumphierenden Erlöser mussten sich zu dem Argument erniedrigen, dass die Bedrohung zwar eindeutig bestehe, dass sich die Antagonisten aber im Hinblick auf die angeblichen Häretiker in ihren Reihen täuschten. Nichtsdestotrotz kam es zu gewaltigen Säuberungen. Zwar war die Folter als solche gegen Erlösermönche verboten, aber das Amt für Verhöre war nicht auf Folterbänke und Brenneisen angewiesen. Ein paar Nächte mit völligem Schlafentzug, gefolgt von vorgetäuschtem Ertränken, brachte schon bald jeden völlig unschuldigen Menschen– jedenfalls unschuldig im Sinne der Ketzerei– dazu, sich zu Geheimabsprachen, Glaubensabfall und Verkehr mit Teufeln zu bekennen, woraufhin dann auch konkrete Namen genannt wurden. Bosco verfolgte mit beträchtlicher Genugtuung, wie eine sehr große Zahl seiner Feinde auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, auf Betreiben einer recht großen Zahl seiner übrigen Feinde. Dass er in der Ordensburg herrschte, die in den Protokollen geradezu beschuldigt wurde, ein Modell des Widerstands gegen den Antagonismus zu sein, verschaffte ihm noch größere Autorität, die ihm wiederum neuen Einfluss verschaffte– einen Einfluss, der ausreichte, um ihm den Angriff auf die Materazzi zu ermöglichen– mit seinen völlig unerwarteten und großartigen Konsequenzen. Bosco befand sich nun im steilen Aufstieg gegenüber seinen Konkurrenten Parsi und Gant und hatte seinen Gefolgsleuten bewiesen, dass Gott über jeden Schatten eines Zweifels oder irgendwelcher Skrupel hinaus seinem wagemutigen und gefährlichen Plan den Segen erteilte und dass Cale in der Tat Gottes Werkzeug war. Trotzdem war noch viel Arbeit, und sehr schwere Arbeit, zu verrichten. Weder Gant noch Parsi durften unterschätzt werden. Auch ihnen war die von Bosco ausgehende Bedrohung bewusst geworden, und sie hatten sich deshalb zusammengeschlossen, um sich gemeinsam gegen ihn zu stellen. Die antagonistische Säuberung hatten sie durch eine gemeinsame Anstrengung schließlich zu einem Ende bringen können; jetzt waren sie entschlossen, unter allen Umständen gegen Bosco zu Felde zu ziehen.
In jener Nacht lag Bosco in seinem Bett und brütete über den vielen Plänen, die er in Bewegung gesetzt hatte, um seine Rivalen zu vernichten und das Ende der Welt herbeizuführen. Eine freudige, rauschartige Erregung, aber auch Sorgen hielten ihn wach. Was konnte denn letztlich die Seele so intensiv erschüttern wie die Entscheidung, alles zum Ende zu bringen– das furchtbare Schwindelgefühl einer Verpflichtung zur ultimativen Lösung des Bösen selbst? Seine Besorgnis war eher gewöhnlicher Art, wenn auch nicht weniger wichtig. Bosco war nicht so töricht, dass er große Ideen geduldet hätte, ohne zu wissen, dass er Gerissenheit und Kompetenz benötigte, um sie auszuführen– und natürlich auch Glück. Hinzu kam die Sorge und Erregung, die er in Bezug auf Cale empfand. Alles, was er von diesem Jungen
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