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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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die Flügel der Reiher, die von den heransprengenden Pferden aufgescheucht wurden. Jeden Moment konnten die Orks sie bemerken und er würde ihre Kriegshörner hören. Yorsh dachte, dass er haltmachen sollte, aber der Gedanke war sofort spurlos verschwunden und vergessen. Die Stadt stand in Flammen, und der Schmerz derer, die den Tod erwarteten oder ihn in den Augen ihrer Nächsten hatten sehen müssen, fand seinen Widerhall in der Seele des Letzten, des Größten und Mächtigsten vom Stamme der Elfen.
    Yorsh fühlte diesen Schmerz. Er sah Varil zum ersten Mal in seinem Leben, aber er spürte die Flammen, als ob sie unter seiner eigenen Haut brennen würden. In seinem Inneren spürte er die Angst und das Leiden jedes einzelnen Bewohners der Stadt, aber auch die Liebe zu den Lebenden und den Toten und die Hoffnung, weil die bei den Menschen nie erlischt, selbst dann nicht, wenn alles verloren ist. Dann fielen ihm, alle auf einmal, die Namen der Kinder der beiden unglückseligen Väter ein, die ihn holen gekommen waren, und für ihn stand fest, er würde keinen Augenblick länger dulden, dass sie ohne Hilfe blieben.
    Sein Pferd galoppierte auf die belagerte Stadt zu. Er hatte ein Heer hinter sich. Klein, verlottert und schlecht bewaffnet, aber es war ein Heer.
    Aus Yorshs Mitleid wurde Zorn.
    In diesem Augenblick fühlte er die Männer hinter sich. Er spürte ihre Wut. Er spürte ihren Hass. Er spürte, wie ihr Geist mit dem seinen zu einem verschmolz.
    Der Verfolgte war zum Führer geworden. Die Verfolger zu Gefolgsleuten. Die Hufe der Pferde preschten durch Wasser und Schlamm dahin. Der Äußere Bezirk von Varil gleich innerhalb der Stadtmauern war ein einziger, riesiger Brandherd. Hier ragten die Torbögen vor den Flammen schwarz in die Höhe, der innere Kern der Stadt aber war noch unversehrt, schmutzig wehten hier die Banner in der beißenden, rußigen Luft. Wenn die Brände im Äußeren und Mittleren Bezirk erloschen, würden die mächtigen Tore aus eisenbeschlagenen Eichenbohlen, gepanzert wie die Höllenpforte selbst, zu Asche geworden sein. Die Zitadelle würde sein wie ein Schafstall für ein Rudel Wölfe.
    Mehr als die Hälfte der Söldner von Daligar stammten aus dem Äußeren Bezirk Varils, waren Kinder der Flüchtlinge von den ausgefransten Rändern der Bekannten Welt, wo Ehre nichts galt und die Menschen sich einzig durch Flucht retten konnten. Sie waren Söldner, zusammengeschweißt von der Notwendigkeit, ihr Auskommen zu finden, und von dem bedingungslosen Glauben an ihren Hauptmann, aber was da brannte, das waren ihre Häuser. Die da starben, das waren ihre Leute. Aus ihrem Hass wurde Mut und aus dem Mut Tapferkeit. Die Schmach, die ihrer Heimat zugefügt wurde, verwandelte sich in Heldenmut. Während sie reitend die Ebene von Varil durchquerten, wurde aus Rankstrails Söldnern ein unschlagbares Heer. Der letzte und mächtigste der Elfen konnte es unverwundbar machen, indem er Pfeile und Geschosse ablenkte. Wenn nicht sie, wer dann? Wenn nicht in dieser Nacht, wann dann? Sie zogen in die Schlacht gegen einen erheblich stärkeren Gegner, aber keinem einzigen von Rankstrails Männern wäre in den Sinn gekommen, haltzumachen und sich in Sicherheit zu bringen.
    Während er an der Spitze dessen dahinritt, was nunmehr sein Heer war, erinnerte Yorsh sich daran, dass auch sein Volk ein Volk von Heerführern und Kriegern gewesen war.
    Bevor sie hinter Mauern und Zäune gesperrt, ausgehungert, gedemütigt, besiegt und verspottet wurden, hatten die Elfen Horden von Riesen die Stirn geboten und Heerscharen von Orks. Sogar mit den Dämonen hatten sie es aufgenommen, als die Unterwelt sie ausgespien hatte, um die Menschenwelt anzugreifen.
    Er war ein Elf. Was ihn umgab, drang in ihn ein. Was in seinem Kopf war, breitete sich draußen aus.
    Wenn er der Verachtung oder dem Schmerz der anderen begegnete, drangen sie in seine Seele ein und raubten ihr Farbe und Glanz. Das war seine Größe und seine Grenze: Wenn einerseits die Verachtung der anderen ihn niederdrückte, wenn ihre Angst ihn verletzte, konnte andererseits sein Mut in der Seele der anderen Platz greifen und unendlich groß werden. In diesem Augenblick, während er vor den anderen dahinritt, sprang seine Kraft über und entflammte die Herzen der Männer wie ein Fünkchen das Schilfrohr im trockenen Sommerwind.
    Er, der letzte und mächtigste der Elfen, ritt an der Spitze eines Heeres, und sein Glaube vervielfachte sich durch den Glauben der anderen

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