Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
ihn zum Verbinden der Wunde. Das Blut hinterließ unauslöschlich dunkle und hellere Flecken darauf. Schade, dachte sie, es ist guter Stoff. Mit dem Schleier hatte sie auch die Krone abgenommen, die sie nun im Schoß hielt.
Neben ihr lag das Schwert mit dem Knauf aus Gold und Efeuranken, die Klinge von Blut befleckt.
Das Kettengerassel der Zugbrücke gab ihr die Gewissheit, dass sie in Sicherheit war. Die Orks, die auf sie gezielt hatten, waren getötet worden oder von der hochgehenden Zugbrücke in den Dogon geschleudert worden, und so blieb der Feind draußen vor den Toren, diese Nacht, die folgende Nacht und die darauffolgende auch noch.
Jemand stand über ihr.
Es war Aurora. Auch sie war vom Pferd gestiegen. Unwillkürlich musste Robi denken, dass die Leichtigkeit in Auroras Bewegungen sie irgendwie an Yorsh erinnerte. Sie erhob sich und blieb so stehen, das Schwert in der einen Hand, die Krone und den blutverschmierten Schleier in der anderen.
Die Prinzessin von Daligar betrachtete sie neugierig. Robi empfand diesen Blick wie einen Schwarm Bremsen und wäre ihn gern losgeworden. Die andere war die Tochter des Mannes, der Yorsh hatte töten lassen. Ihr Vater und ihre Mutter waren auf seinen Befehl hin gehenkt worden.
Robi hasste sie aus tiefstem Herzen, doch dann erinnerte sie sich daran, dass die andere ihr soeben das Leben gerettet hatte.
Aurora war so schön wie Yorsh, nicht der letzte Grund, warum sie sie weiterhin hasste, auch jetzt, da Yorsh tot war und kein Anlass zur Eifersucht mehr bestand. Aber sie hatte gerade ihr und damit ihrer Tochter und dem noch ungeborenen Kind das Leben gerettet.
Robi richtete sich auf. Sie war todmüde. Gestützt von Estrill auf der einen Seite und dem Schwert, das sie wie einen Stock benutzte, auf der anderen, versuchte sie, nicht zu fallen. Ihre Füße versanken im Schlamm, aber wenigstens die knochigen, schmutzigen Knie waren von ihrem Kleid bedeckt. Robi fragte sich, wo ihr goldbestickter Samtmantel geblieben war, doch da sah sie ihn zwischen Enstriils Hufen am Boden liegen.
Eine kleine Menschenmenge sammelte sich um sie. Alle waren da: Soldaten, Frauen, Kinder, Einwohner der Stadt und Flüchtlinge, selbstverständlich der Seneschall. Es fehlte nur der Hofmeister des Königlichen Hauses, der sich selbst beim Siegesgeschrei nicht befugt gefühlt haben dürfte, von Erbrows Lager zu weichen.
Die Prinzessin der Grafschaft betrachtete sie. Robi dachte weiterhin, dass sie ihr für die Rettung danken musste, aber sie hasste die Tochter des Richters zu sehr, als dass sie das über sich gebracht hätte. Endlich leuchtete Auroras Antlitz auf.
»Robi! Rosalba. Rosa Alba?«, fragte sie leise in fröhlichem, triumphierendem Ton wie jemand, der ein Rätsel gelöst hat.
Robi nickte und an dieser Stelle trat das zweite unglaubliche Ereignis an diesem Abend ein, das dritte, wenn man auch ihren Sieg mitrechnete, der ja nun wahrlich unglaublich war.
Die Prinzessin von Daligar kniete vor ihr nieder und beugte ihr Haupt, das samtene Gewand und die samtenen Hosen versanken im Schlamm.
»Meine Herrin«, sagte sie mit lauter Stimme und hob den Kopf wieder. »Rosa Alba, Erbin Arduins, diejenige, die das Licht des neuen Tags im Namen trägt und der Hoffnung, die jeden Tag aufs Neue für die Menschen wiederaufersteht, Herrscherin von Daligar, du bist gekommen, für die Stadt Daligar und ihre Einwohner zu kämpfen.«
Rosalba stand reglos da, erschöpft und erstaunt. Sie wusste nicht recht, was tun, und hatte auch keine Kraft mehr dazu. Sie war am Leben. Die Belagerung gesprengt. Ihre Tochter war am Leben und vielleicht würde sie sie retten können. Eine Verbündete war aufgetaucht, vielleicht die letzte, die sie sich hätte wünschen können, aber eine Verbündete mit unfehlbarem Ziel und sie hatte ihr eben das Leben gerettet.
Aurora erhob sich, nahm den blauen und goldenen Mantel vom Boden und reichte ihn Rosalba mit einer angedeuteten Verbeugung.
Die Herrscherin von Daligar legte ihn sich um die Schultern. Sie spürte seine weiche Wärme. Sie fing den Blick der Berittenen auf, die sie begleitet hatten, und bemerkte, dass sich darin etwas geändert hatte. Sie waren ihr gefolgt aus Verzweiflung, wie eine Horde Jungs, die einem selbst ernannten Rädelsführer folgten; jetzt sahen sie sie an wie eine Königin. Derselbe Blick lag in den Augen aller in der Menge, die sie umringte. Viele knieten nieder.
»Meine Herrin«, begann Aurora wieder. »Mir fehlen die Worte, um dem Abscheu über
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