Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
der höchsten ihrer Piken steckt? Ich sage Euch, sie werden den Angriff auf die Stadt eröffnen und sie stürmen, weil sie nicht nur ohne Führung und Führer ist, sondern auch ohne Ehre und ohne Glauben …«
»Du bist am Leben, weil der Richter vor einem Monat beschlossen hat, dich zu verschonen. Er hat dich verschont und dir das Kommando über die Söldner wiedergegeben«, zischte Argniòlo.
»Das war der größte Fehler seines Lebens. Er wird ihn noch bereuen«, antwortete Rankstrail.
Wieder konnte er nicht weitersprechen. Geschrei erhob sich rings um ihn, von der Abordnung der Zünfte, von den Flüchtlingen aus den Ostgebieten.
Ohne die Königin-Hexe wären sie längst tot in einer verwüsteten Stadt.
»Mein Mann hatte Wachdienst bei den Warnfeuern«, schrie eine Frau mit ihrem Kind im Arm. »Er hat dem Befehl gehorcht. Hat Bescheid gegeben, dass die Orks im Anmarsch waren, und ist auf seinem Posten geblieben, wie er sollte. Sein Kopf ist da draußen. Das ist sein Kind. Es ist nur am Leben, weil die Königin-Hexe vor einem Monat die Brücke und die Wurfmaschinen der Orks in Brand gesetzt hat!«
»Sie hat für uns und mit uns gekämpft.«
»Sie ist hinausgezogen und hat unsere Kinder zurückgeholt. Und die Söldner haben ihr geholfen. Und ihr, wo wart ihr? Unsere Regierenden, unsere Soldaten? Alle davongelaufen, um sich in Sicherheit zu bringen.«
Ein junger Bauer, der das Schwert mit dem silbernen Knauf von Jesua III. dem Kühnen schwang, verkündete, jetzt würden sie hinausziehen, um die Orks zu vernichten, und danach würden sie jeden vernichten, der irgendwelche Rechte über sie oder auf das von ihnen bestellte Land geltend machen sollte, oder gegenüber den Kommandanten, die den Angriff befehligten.
Zwei der Frauen, deren Kinder von den Akrobatensoldaten entführt und von Robi befreit worden waren, erkannten ihre Männer in Argniòlos Heer. Wutentbrannt stürzten sie zu ihnen hin und fragten, ob ihnen klar sei, dass sie die Frau holen kämen, die für ihre Kinder ihr Leben riskiert hatte, während sie, die Väter, es sich mit dem Richter und seinem Hofstaat in der frischen Gebirgsluft gut gehen ließen.
»Wenn ihr und der Richter das nächste Mal das Weite sucht«, sagte ein Soldat, »dann nehmt auch gleich meine Frau und meine Kinder mit. Vielleicht werde ich eure Befehle dann ausführen.«
Rosalba überlegte sich, dass sie ihre Meinung über ihre Untertanen vielleicht doch ändern musste. Die Intelligenz war zwar nach wie vor zweifelhaft, aber was den Mut anging, zeigten sich doch erste Ansätze.
Mittlerweile war sie am unteren Ende der langen Steintreppe angelangt, die von der Galerie der Könige in den Hof hinunterfühlte. Sie trat plötzlich aus dem Schatten heraus, und Argniòlo brauchte einen Augenblick, bis er sie wiedererkannte. Er hatte sie ein einziges Mal in seinem Leben gesehen und war überrascht, sie mit einer Krone auf dem Haupt zu sehen, eingehüllt in einen nachtblauen und goldenen Samtmantel.
Als ihm endlich klar wurde, wen er da vor sich hatte, begriff er die Gefahr.
Rosalba fixierte ihn.
Sie sah Yorsh wieder vor sich, während er starb, sie sah sein schmerzverzerrtes Gesicht, die von Pfeilen durchbohrte Brust, das Blut und den letzten, von Argniòlo abgeschossenen Pfeil, der ins Herz drang.
Robi hörte seine Stimme wieder.
Sie spürte, wie das Kind in ihr sich regte, und ihre Wut wuchs ins Unermessliche.
Der Mann da vor ihr hatte seelenruhig seinen Tod angeordnet.
Dieser Mann würde den Abend nicht erleben.
Argniòlo legte die Hand ans Schwert, konnte es ziehen und ließ es auf Robi niedersausen.
Ein Aufschrei des Hasses erhob sich in der Stadt.
Seine Soldaten sahen tatenlos zu, wie ihr Kommandant das Schwert gegen eine Frau mit einem Kind im Schoß erhob.
Robi hatte das Kämpfen von Yorsh gelernt, dem Feind stets ins Gesicht schauen, denn es sind unmerkliche Augenbewegungen, die verraten, wohin der Schlag zielen wird. Sie parierte mit dem Elfenschwert und griff sofort mit der Linken nach dem kürzeren und beweglicheren Schwert Arduins. Während sie sein klobiges Heft aus Eisen und Stein umfasste, begriff sie endlich den Sinn dieses halbmondförmigen Schwertes, das am Außenrand extrem schwer und fast einen Zoll dick war, innen hingegen sehr dünn und scharf: Es war zum Köpfen gemacht. Ohne die Dicke des äußeren Rands hätte die Waffe nicht ausreichend Gewicht gehabt und mit einer weniger fein geschliffenen Innenseite wäre es nicht scharf genug gewesen.
Weitere Kostenlose Bücher