Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
Ereignisse. Die Mutter unterlag im Kampf gegen den Husten, gleichzeitig befiel er den Vater. Zwei Jahre nach dem Tod der Mutter ergriff Rankstrail das Waffenhandwerk. Er hatte nichts anderes gefunden, um das sich selbst gegebene Versprechen zu halten: Niemals sollten seine Geschwister den Hunger kennenlernen.
Als Rankstrail den Äußeren Bezirk verließ, um Söldner zu werden, war er sechzehn Jahre alt.
Er brach in der Nacht auf, ohne sich von irgendwem zu verabschieden, weil sein Vater ihn zurückgehalten hätte, wenn er es gewusst hätte. Auch Fiamma, in allem seine Verbündete und Vertraute, hatte er im Dunkeln gelassen, denn auch sie hätte diese Verrücktheit nicht geduldet.
»Sold« war das Zauberwort, das den blutjungen Mann faszinierte und verlockte, sich wie ein Dieb aus dem Haus zu schleichen, weit fort von seinen Leuten. Sein Vater war krank geworden, und nur wenn er genug zu essen bekam und etwas hatte, wovon er den Arzt bezahlen konnte, hatte er eine Chance, gesund zu werden.
Sein Vater aß wenig, deshalb hatte er den Husten bekommen, der nicht mehr vergeht, wer jeden Tag zu essen hatte, bekam ihn nicht. Rankstrails Vater ertrug den Hunger seiner Kinder nicht. Sie mochten das gewilderte Zeug ja essen, er würde es ihnen nicht verbieten. Er verbot es nie. Aber nicht verbieten und gutheißen ist zweierlei.
Wenn Reiherbraten auf den Tisch kam, stand der Vater auf und setzte sich auf seinen Holzschemel, mit dem gesenkten Blick des Besiegten. Dort saß er dann bis zum Morgengrauen und schnitzte großartige Verzierungen, die kaum jemand bezahlen würde.
Auch nach dem Tod der Mutter war die Familie mit der Tischlerwerkstatt und Rankstrails Wilderei ganz gut durchgekommen, jedenfalls nicht schlechter als alle anderen im Äußeren Bezirk. Dann hatte der Vater zu husten angefangen. Im Winter war Fieber dazugekommen, es packte ihn, warf ihn tagelang nieder und ließ ihn erschöpft zurück, wochenlang nicht in der Lage, den Meißel anzurühren. Der Arzt hatte einen Sud aus Kamille, Belladonna und Baldrian verordnet, so viel Rinderbrühe wie möglich empfohlen und die knappen Ersparnisse der Familie mit einem Schlag zunichtegemacht.
So sah Rankstrail sich allein vor die Aufgabe gestellt, das Problem zu lösen. Das Erste, was ihm einfiel, war, mehr zu jagen. Die Notwendigkeit machte ihn unvorsichtig. Auf der Jagd erwischten sie ihn nicht: Bei seinem Gehör und seinem Geruchssinn hätte kein Wildhüter ihn je geschnappt. Aber um eine Wildente zu erlegen, der er nächtelang aufgelauert hatte, blieb er einmal zu lang draußen. Das Morgenlicht spiegelte sich schon in den Reisfeldern, und über die Befestigungsmauern hinwegzusetzen, war nicht mehr möglich. Rankstrail musste auf der Straße in die Stadt zurückkehren. An dem verschlafenen Wachposten am Tor des Äußeren Bezirks wäre er noch vorbeigekommen, hätte nicht ein hungriger Iltis angefangen, an seiner Tasche herumzuschnüffeln, was das Gelächter und die Aufmerksamkeit der Soldaten ringsum erregte.
Es wurde alles beschlagnahmt und er wurde zum Wachposten gebracht. Die Strafe waren zwölf Peitschenhiebe. Als sie fertig waren, erklärten sie ihm, dass diese Strafe nur einmal verhängt würde. Wenn sie ihn noch einmal bei der Wilderei erwischten und an den Narben sahen, dass er schon einmal gezüchtigt worden war, wäre er »draußen«. Er und seine Familie, draußen. Varil hatte ihm gestattet, innerhalb seiner Mauern zu leben: Wer sich nicht an die Gesetze hielt, war draußen und mochte sich einen anderen Ort zum Leben und zum Sterben suchen.
Taumelnd war Rankstrail aus dem Gebäude gekommen und hatte sich auf den Boden fallen lassen. Dort war er liegen geblieben, bis die Sonne im Zenit stand, dabei wehte ein eisiger Nordwind.
Die Scham machte den Schmerz unerträglich.
Sein Vater würde vergehen vor Scham, wenn er das erfuhr. Rankstrail schwor sich, es nie irgendjemandem zu sagen. Auch Fiamma nicht. Niemand würde das je erfahren. Er würde seine Wunden im Verborgenen unter der Jacke ausheilen lassen.
Jetzt war das Problem das Essen. Er durfte nichts mehr riskieren. Ohne die Jagd war seine Familie erledigt.
Doch in dem Augenblick kam der Ausrufer vorbei und rief allen in Erinnerung, dass man sich in Daligar, zwei Tagesmärsche entfernt, wieder einmal bemühte, Soldaten anzuwerben, für das Söldnerheer, das offiziell Leichte Kavallerie und Leichte Infanterie hieß. Das war schon einmal geschehen, vor acht Jahren, als ein furchtbarer Elf, der
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