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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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zu verrecken: Leute wie sie sollten einfach nicht heiraten.
    Um in die Kavallerie aufgenommen zu werden, war ein Pferd vonnöten, also würde er erst bei der Infanterie Dienst tun.
    Zur Infanterie wurde jeder zugelassen, der das eigene Recht auf Überleben so gering einschätzte, dass ihm der Beitritt wünschenswert erscheinen konnte. Es wurden keinerlei Nachforschungen über Herkunft, Name oder bisherigen Lebenslauf des Kandidaten angestellt. Der Sold betrug fünfzehn Kupfergroschen und einen Silbertaler alle drei Monate. Manchmal wurde der zu spät gezahlt, manchmal nur zum Teil und manchmal überhaupt nicht, es kam aber auch vor, dass er zum richtigen Zeitpunkt und in voller Höhe ausbezahlt wurde. Der Sold fürs erste Jahr wurde vorgestreckt, damit der Soldat sich Harnisch, Schwert, Beinschienen, Helm und wenigstens einen Dolch, eine Armbrust und einen Bogen anschaffen konnte. Pfeile lernte man aus Ersparnisgründen selbst zu machen. So schlecht, heruntergekommen oder zusammengestoppelt die Ausrüstung auch sein mochte, ein Jahressold reichte oft nicht aus, um die Kosten dafür zu decken. Die Höhe der Wucherzinsen war ein anderer ständiger Albtraum für die Söldner, neben den Armbrüsten der Orks und den Hinterhalten der Banditen.
    Soweit Rankstrail verstand, war Grundlage des Lebens in der Leichten Infanterie die Hoffnung: Hoffnung, nicht getötet zu werden; Hoffnung, Sold und Verpflegung zu bekommen, nicht zu wenig und nicht zu verdorben. Hoffnung, dass die selbst gemachten Pfeile nicht abbrechen, nicht von der Bahn abweichen und durchschlagkräftig genug sein würden, um die Orks aufzuhalten, bevor diese die Zeit hätten, ihrerseits ihre verfluchten Pfeile abzuschießen, die von echten Schmieden gemacht waren, mit Spitzen aus echtem Eisen oder Stahl, abgeschossen von echten Armbrüsten, die von echten Tischlern gefertigt waren.
    Man verpflichtete sich für fünfzehn Jahre. Wenn einer vor Ablauf dieser Zeit versuchte, sich davonzumachen, kam er an den Galgen. Wer sich hingegen im Lauf des ersten Jahres davonmachte, das heißt noch vor Ende der schon bezahlten Dienstzeit, wurde ebenfalls mit dem Tode bestraft, doch wurde dieser auf fantasievollere Weise herbeigeführt. Die gleiche Strafe, erzielt durch langwierige und einfallsreiche Prozeduren, stand auf fortgesetzte Befehlsverweigerung, auf Flucht nach einer Niederlage oder, die Götter mochten es verhüten, auf Rebellion oder Meuterei.
    Geringere Vergehen wurden mit geringeren Strafen geahndet, die von Auspeitschen bis zur Verstümmelung reichten. Nach den ersten fünf Jahren Dienstzeit hatte fast keiner der Söldner mehr die ursprüngliche Anzahl an Fingern oder Zähnen. Von den fünfzehn fest angestellten Henkern in Daligar waren drei ausschließlich für die Söldner zuständig.
     
    Die letzte Nacht zu Hause verbrachte Rankstrail in einem kurzen, unruhigen Schlaf, immer wieder unterbrochen von einem Traum, in dem Wolfsrachen vorkamen. Lang vor dem Morgengrauen wachte er auf, er erkannte seine Leute im Dunkeln an ihrem Geruch, und fast hätte die Trauer ihn überwältigt bei dem Gedanken, dass er im Begriff war, sie zu verlassen. Ungeschickt schnitt er die Ärmel seiner Jacke ab, um auf den Stoff eine Nachricht zu schreiben, und mit einem Stück Kohle schrieb er darauf, was er vorhatte, damit Fiamma, die lesen konnte, es dem Vater und dem Bruder erklären konnte.
    Als Rankstrail aus der Stadt hinaustrat, dämmerte es. Die Welt war in einen leichten Nebel gehüllt, und er hatte das Gefühl, sich in einem Traum zu bewegen. Als die Sonne höherstieg und der Nebel sich auflöste, wandte der Junge sich um und sah noch einmal zurück auf Varil. Stolz ragte es in die Höhe, das Wasser auf den Reisfeldern war jetzt verborgen unter dem dichten, zarten Grün der keimenden Pflanzen, und das sah aus, als wäre die Stadt umgeben von riesigen, sehr weichen Teppichen.
    Namenlose Trauer schnürte ihm das Herz zu. Seinen Vater, Fiamma und Borstril zu verlassen, lastete ihm wie Blei auf der Seele. Ohne Fiamma würde da niemand mehr sein, dem er die Dinge erzählen konnte, und umgekehrt würde ihm niemand mehr etwas erzählen. Und Borstril – er hatte gerade angefangen zu sprechen und schon hörte er ihm gern zu. Auch sein erstes Wort war »A’ail« gewesen.
    Fiamma war eine gute Bogenschützin, aber sie konnte nicht auf die Jagd gehen. Den einen oder anderen Reiher würde sie schon erlegen, aber wenn die Jagdhüter sie erwischten, bedeutete das die Peitsche. Sie war

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