Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork
erst zehn und obendrein ein Mädchen. Mädchen waren empfindlicher als Jungs, und dann – Mädchen sind eben Mädchen. Wenn sie von den Jagdaufsehern ausgepeitscht wurden, war das schlimmer.
Fiamma konnte schreiben, Rankstrail hatte durchgesetzt, dass der Verrückte Schreiber es ihr auch beibrachte, nach wie vor den Staub der Straße als Tafel benutzend, aber er war sich nicht sicher, ob seine Schwester ohne ihn weiter üben und lernen würde.
Das Wort »Sold« übte allerdings einen zu großen Zauber aus; es war für ihn wie für die Motte das Licht. Jedes Mal, und das war oft, wenn er schon haltmachen und umkehren wollte, leuchtete in seinem Geist das Wort »Sold« auf. »Sold«, das bedeutete, dass alles seine Ordnung hatte und keine Regel verletzt wurde, außer vielleicht der, dass kleine Jungs zu Hause bleiben und gegen niemanden kämpfen sollten.
Mit diesem Sold würde sein Vater ordnungsgemäß bezahltes Essen bekommen, wovon er satt werden konnte, und dann würden sie anfangen, in kleinen Raten die Schulden beim Apotheker abzubezahlen.
Er brauchte drei Tage. Die Reise war ein dauerndes Hin und Her. Jeden Augenblick änderte er seine Meinung und wollte umkehren nach Varil, denn auch wenn es stimmte, dass der Sold gebraucht wurde, so war doch auch wahr, dass er eine Verrücktheit beging, das sah er ein. Er machte halt, ging auf die Jagd, dachte nach, suchte Trinkwasser, schaute den Wolken nach, ständig in der Hoffnung, dass sein Vater oder Fiamma hinter ihm am Horizont auftauchen würden, erst als kleine Pünktchen, dann als ganze Personen, die laut schimpfend und schreiend näher kamen, ihn schalten, er sei ja wohl verrückt und ein verantwortungsloser Bursche, er würde anfangen zu weinen, dann würden sie sich umarmen und alle gemeinsam nach Hause gehen.
Keine Menschenseele ließ sich blicken.
Nach drei Tagen kam er endlich in Daligar an. Die Stadt war klein, eingeklemmt hockte sie zwischen zwei Armen des Dogon, die sie wie ein enormer Wassergraben umschlossen. Wenn Varil, die einstige Hauptstadt der Ersten Runenzeit, mit ihren Palästen und ihren Mauern aus strahlend weißem Marmor, die Reiherstadt war, die beherrschend über der Ebene mit ihren von Mandelbäumen gesäumten Reisfeldern thronte, so war Daligar die eigentliche Hauptstadt der Menschen, die Igelstadt.
Daligar war ganz rot von den Ziegelsteinen, die hier in Öfen gebrannt wurden, staubig, ungastlich und abweisend im Schatten der Dunklen Berge gelegen. Seine Mauern waren wuchtig, niedrig und dicht gespickt mit zugespitzten Pfählen. Es lag auf einer Insel zwischen zwei Armen des Dogon, über die zwei Zugbrücken hinüberführten. Davor drängten sich jede Menge Bewaffnete, als ob die Stadt ständig im Krieg läge.
Im Unterschied zu Varil, wo jeder ein und aus gehen konnte, wurde Daligar bewacht wie ein mit Gold gefüllter Schrein, auch wenn das Gold längst aufgebraucht schien. Wer die Ehre hatte, hier zu wohnen, durfte nicht fortgehen, und wer hineinwollte, musste einen schwerwiegenden Grund dafür haben und ihn überzeugend darlegen können.
Außer der Härte des Lebens, das Rankstrail erwartete – immer vorausgesetzt, es blieb ihm erhalten –, außer dem Schmerz, die Seinen verlassen zu müssen, der ihm zu schaffen machte wie eine offene Wunde, war da noch eine andere Angst, verborgener und subtiler: die Befürchtung, dass der Herr, dem er sich nun anvertraute, vielleicht nicht gerade ein leuchtendes Vorbild an Gerechtigkeit und Weisheit sein könnte. Angesichts des unheilbaren Hustens und der Rechnung des Apothekers blieb ihm jedoch keine andere Wahl, also beschloss er, den Schritt zu tun, aber auf der Hut zu sein. Er würde seine Körperkraft verkaufen, nicht aber seine Seele.
An einem strahlenden Morgen, fast schon einem Sommermorgen, kam Rankstrail in Daligar an.
Die ganze Stadt war in Aufruhr, fast wie vor acht Jahren, als der schreckliche Elf hier gewesen war. Die Schwarzen Banditen überzogen die Südlichen Gefilde mit Feuer und Schwert. Es war von nichts anderem die Rede als von ihnen. Sie waren Banditen, die zunächst in einzelnen kleinen Banden angefangen hatten und sich dann zu einem Heer zusammengeschlossen hatten. Es waren keine Orks, aber ihre Grausamkeit war von Jahr zu Jahr schlimmer geworden. Jeder neue Kommandant der Schwarzen Banditen versuchte wie bei einem Turnier, alle vorherigen an Grausamkeit zu übertreffen.
Um irgendeine Art von Gegenwehr auf die Beine zu stellen und die Bauerngehöfte der Gegend
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