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Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork

Titel: Die Letzten ihrer Art 02 - Der letzte Ork Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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darauf hätte hoffen können, gewählt zu werden. Keine einzige Familie des Adels und des Patriziats, in der nicht wenigstens ein Angehöriger am Pranger oder am Galgen geendet oder auf unbestimmte Zeit in irgendwelchen Verliesen verschwunden war. Erligno focht das nicht an. Er schaffte das Wort »König« ab und verbot seinen Gebrauch. Die Rolle des Herrschers selbst, die eine Wahl voraussetzte, schaffte er als überflüssiges Relikt einer überholten Vergangenheit ab, enteignete Ländereien, Wälder und Unternehmungen, presste durch wucherische Steuern jedem, der noch irgendetwas besaß, auch das Letzte ab, ließ Widersacher töten wie räudige Hunde und stürzte das Land in das tiefste und aussichtloseste Elend, das man seit den Zeiten der Orks je erlebt hatte.
    Stets im Namen des Übergangs zu einer neuen Ära hatte der Verwaltungsrichter auch einen großen Teil des früheren Königspalasts abreißen und ihn durch ein kurioses Bauwerk ersetzen lassen, das ohne alle Bögen, Säulen und Strebepfeiler wie ein großer, unregelmäßiger Steinquader oder die Basis eines Ameisenhaufens aussah. Das Fehlen von Verzierungen, von Gärten und Höfen und von jedweder Variation in der Höhe der Mauern führte dazu, dass der Bau in seinem Inneren Hunderte von Zimmern ohne Fenster oder Lichtschacht beherbergte. Rankstrail konnte darin kein grundlegendes Problem erkennen, aber der Schreiber betonte, dass es sich hier um einen Bruch handelte, alles Bisherige wurde nur noch als Müll betrachtet. Wer die Vergangenheit verwirft, tötet die Zukunft. Rankstrail nickte genervt und versuchte, sich aus dem Staub zu machen. Manchmal hatten die Reden des Männchens ja eine gewisse Logik, aber wenn er auf die getötete Zukunft zu sprechen kam, dann würde unausweichlich wenig später alles in einem Gejammer untergehen, das größere Geduld und Einfühlungsvermögen voraussetzte, als ein Junge aufzubringen vermag.
    Vorzugsweise im Herbst, wenn die Stürme losbrachen und der Geruch von Most aus den Fässern aufstieg, konzentrierte sich die Unterhaltung auf die Fähigkeiten des Verwaltungsrichters. Sie schlossen bemerkenswerte Sprachkenntnisse und einige Fähigkeiten als Zauberer oder Erfinder ein. Der Verwaltungsrichter ließ systematisch große Mengen Gerste und Getreide beschlagnahmen, um daraus ein Gebräu seiner Erfindung zu machen, das, auf die Wurzeln der Jasmin- und Glyziniensträucher gegossen, diesen eine ständige, besonders üppige Blüte und einen intensiven, süßlichen Duft bescherte. Aus ganzen Ladungen vergorener Äpfel hingegen wurde eine helle Flüssigkeit destilliert, aus der durch Zusatz von Jasmin ein Parfüm gemacht wurde. Das wurde sehr teuer verkauft: Nicht nur überdeckte es den Geruch der Menschen und der Straßen, sondern, auf ein Taschentuch geträufelt und vors Gesicht gehalten, verringerte es bei Epidemien auch die Gefahr der Ansteckung – in der Regierungszeit des Verwaltungsrichters nahmen diese an Häufigkeit und Schwere zu, ein klares Zeichen für die wachsende Bösartigkeit der Elfen und der Hexen. Das Parfüm wurde in durchsichtige Flakons abgefüllt und in den zahlreichen fensterlosen Räumen des Palasts aufgestellt. Es wurde verkauft bis an die Grenzen der Bekannten Welt, und das ermöglichte es dem Verwaltungsrichter, seine Kassen mit Mengen von Edelsteinen und Gold zu füllen.
    Hätte der Verrückte Schreiber seine Erzählungen nicht ständig durch Hüpfen, spitze Schreie und Gekicher unterbrochen, wäre er glaubwürdiger gewesen. Auch die Angewohnheit, je nach Jahreszeit von bestimmten festgelegten Themen zu sprechen, schien nicht eben auf geistige Gesundheit hinzudeuten. Wenn er über Strategie redete, war er verständlich, bei allem Übrigen allerdings hörte Rankstrail aus bloßer Höflichkeit zu, während er ihm nebenher etwas Kaulquappenbrühe kochte oder die Zahlen und das Alphabet wiederholte. Die Vorstellung, dass nicht alles Übel in der Welt von der Bosheit der Elfen und der Hexen herrührte, faszinierte Rankstrail durch ihre Logik, denn Elfen und Hexen hätten doch wirklich von geradezu selbstmörderischer Dummheit sein müssen, wenn sie Unheil verursachten, das sie dann selbst als Erste traf (ganz zu schweigen von den Vergeltungsmaßnahmen der Menschen), aber die Theorie stand in solchem Widerspruch zur landläufigen Auffassung, dass er sie als unglaubwürdig und verschroben abtat.

Kapitel 4
    Jahraus, jahrein ging das so dahin, bis Borstril laufen lernte.
    Dann überstürzten sich die

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