Die letzten ihrer Art
Gepäck aus und gingen den grasbewachsenen Hügel vor der Wildhüterhütte hinunter, auf dem wir gelandet waren. Mark und ich sahen uns kurz an und stellten fest, daß wir noch immer vornübergebeugt gingen. Wir waren zwar nicht direkt Ratten, fühlten uns aber genauso willkommen und schickten Stoßgebete gen Himmel, daß diese Expedition nicht fürchterlich ins Auge gehen möge. Arab stolzierte schweigend mit Boss, der jetzt einen festen Maulkorb trug, hinter uns her. Obwohl die Spürhunde streng abgerichtet werden, den von ihnen aufgespürten Kakapos nichts zu tun, spüren sie sie manchmal doch ein bißchen zu enthusiastisch auf. Sogar mit Maulkorb kann ein übereifriger Hund einen Vogel zu Boden stoßen und verletzen.
Die Wildhüterhütte war ein Holzbau mit einem großen Zimmer, das als Küche, Eßzimmer, Wohnzimmer und Arbeitszimmer diente, und ein paar kleinen Schlafräumen. Es waren schon zwei andere Feldforscher dort untergebracht, einer, der den exzentrischen Namen Phred trug oder zumindest so buchstabierte und sich als Dobbys und Mikes Sohn entpuppte, und ein zweiter namens Trevor. Sie begrüßten uns schweigend, ohne jede Begeisterung, und störten uns nicht weiter beim Auspacken.
Als man uns kurz darauf mitteilte, das Essen sei fertig, hielten wir den Moment für gekommen, einen ernsthaften Versuch zur Verbesserung unseres Ansehens in der Runde zu unternehmen. Ganz offensichtlich hatten unsere Gastgeber keinen Bedarf an Medien-Schickis, die über ihre Insel wüteten und die Vögel mit ihren Videokameras und Filofaxes verschreckten, und hatten sich auch durch die Tatsache, daß wir nichts weiter als einen zierlichen Walkman bei uns hatten, uns sehr bescheiden und wohlerzogen aufführten und nicht ständig versuchten, bei ihnen Gin Tonic zu bestellen, nur geringfügig beschwichtigen lassen. Der Umstand, daß wir statt dessen selbst etwas Bier und Whisky mitgebracht hatten, machte alles ein bißchen einfacher.
Ich war auf einmal richtig gut gelaunt. Wirklich wesentlich besser gelaunt, als ich es während unseres gesamten bisherigen Aufenthaltes in Neuseeland gewesen war. Die Neuseeländer sind grundsätzlich schrecklich nett. Alle, die wir bis dahin kennengelernt hatten, waren schrecklich nett zu uns gewesen. Schrecklich nett und zuvorkommend. Jetzt merkte ich, daß mich all diese unbarmherzige Nettigkeit und Herzlichkeil, der wir ausgesetzt gewesen waren, ganz schön mitgenommen hatte. Die neuseeländische Herzlichkeit raubt einem nicht nur jede Möglichkeit zur Gegenwehr, sondern auch den letzten Nerv, und ich war mittlerweile soweit, daß ich die nächste Person, die mir nett und herzlich gekommen wäre, verprügelt hätte. Jetzt lagen die Dinge aber plötzlich ganz anders, und wir waren gefordert. Ich mußte diese mürrischen Figuren ums Verrecken dazu bringen, uns zu mögen.
Über unserem aus Dosenschinken, Pellkartoffeln und Bier bestehenden Abendessen starteten wir zu einem umfassenden konversationellen Erstschlag, erzählten ihnen alles über unser Projekt und warum wir es durchführten, wo wir bisher gewesen waren, welche Tiere wir gesehen und welche wir vergeblich gesucht hatten, wen wir kennengelernt hatten, warum wir so scharf darauf waren, einen Kakapo zu sehen, wie sehr wir ihre Unterstützung zu schätzen wüßten und wie gut wir ihre Vorbehalte gegen unseren Aufenthalt hier verstehen könnten, um ihnen anschließend intelligente und tiefschürfende Fragen zu stellen, die ihre Arbeit, die Insel, die Vögel und Boss betrafen, und zum Abschluß zu fragen, warum an dem Baum vor dem Haus ein toter Pinguin hing.
Dieses Manöver sorgte offenbar für etwas weniger dicke Luft. Unsere Gastgeber begriffen, daß sie uns nur vom ununterbrochenen Reden abhalten konnten, indem sie selbst etwas sagten. Der Pinguin war, wie uns Phred erklärte, Tradition. Jeden 28. Februar würden sie einen toten Pinguin an den Baum hängen. Es sei eine Tradition, die sie erst an diesem Tag eingeführt hätten und die sie vermutlich nicht aufrechterhalten würden, aber im Augenblick halte sie wenigstens die Fliegen von dem Pinguin fern.
Das hörte sich nach einer unübertrefflich exzellenten Erklärung an. Wir stießen gemeinsam mit einem weiteren Bier auf sie an, und endlich begann sich alles ein bißchen beschwingter zu entwickeln. In rundherum entspannter Stimmung brachen wir mit Arab und Boss in den Wald auf, um zu versuchen, wenigstens einen jener Vögel zu finden, derentwegen wir zwölftausend Meilen weit gereist
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