Die letzten ihrer Art
frieren wird, wenn das Wasser bis auf die Haut dringt. Ich lasse ihn jetzt besser wieder frei.«
Wir traten zurück. Vorsichtig beugte sich Arab mit dem Vogel vor, der seine großen, kräftigen Krallen ausstreckte und schon nach dem Boden scharrte, bevor er überhaupt unten war. Zuletzt ließ er Arabs Finger los, stabilisierte seine Lage auf dem Boden, senkte den Kopf und machte sich dann mit kleinen Schritten davon.
Überglücklich verputzten wir am Abend in der Wildhüterhütte die verbliebenen Biere und vertieften uns in die Aufzeichnungen über sämtliche Kakapos, die nach Codfish Island verlegt worden waren.
Arab hatte sich die am Bein des Vogels befestigte Kenn-Nummer notiert – 8-44263. Er hieß Ralph. Er war vor fast genau einem Jahr von Pegasus Harbour, Stewart Island, nach Codfish umgesiedelt worden.
»Das sind gute Neuigkeiten«, sagte Ron. »Das sind wirklich sehr, sehr gute Neuigkeiten. Wenn dieser Kakapo schon ein Jahr nach seiner Umsiedlung wieder mit dem Schreien und Balzen beginnt, ist das der bisher deutlichste Hinweis darauf, daß unser Umsiedlungsprojekt funktioniert. Ihr wißt ja, daß wir euch nicht hierhaben wollten und daß wir wegen des Risikos, sie zu erschrecken, keine Kakapos aufspüren wollten, aber wie's aussieht... Also, das ist eine sehr wertvolle Information und wirklich sehr ermutigend.«
Ein paar Tage später stehen wir oben auf Kakapo-Castle im Fjordland und erzählen Don Merton, daß wir unser Verhalten für entschuldbar halten.
»O ja, das denke ich auch«, sagt er. »Mag sein, daß Sie ein bißchen angeeckt und ein paar Leuten auf die Füße getreten sind, aber dafür haben Sie ja auch wirklich etwas in Bewegung gebracht. Die Pressekonferenz hat viel bewirkt, und soweit ich gehört habe, steht die Entscheidung an, das Kakapo-Schutzprogramm ganz oben auf die Dringlichkeitsliste des DOC zu setzen, was wohl bedeutet, daß man uns mehr Mittel zur Verfügung stellen wird. Ich hoffe nur, daß das alles nicht zu spät kommt.
Unter den zur Zeit fünfundzwanzig Kakapos auf Codfish sind nur fünf Weibchen, und genau das ist der kritische Punkt. Wir wissen nur noch von einem auf Stewart Island verbliebenen Kakapo, und der ist ein Männchen. Wir suchen weiter nach Weibchen, bezweifeln aber, daß es noch welche gibt. Selbst wenn man die vierzehn Vögel von der Barrier Island berücksichtigt, sind insgesamt nur noch vierzig Kakapos übrig.
Und es ist so schwierig, diese Mistkerle zur Fortpflanzung zu bewegen. Früher haben sie sich so langsam vermehrt, weil es der einzige Weg war, den Bestand auf dem gleichen Niveau zu halten. Wenn ein Tierbestand so schnell zunimmt, daß die Ernährungs-und Versorgungskapazitäten des Lebensraumes überstiegen werden, stürzt der Bestand wieder in sich zusammen, nimmt dann wieder zu, wieder ab und so weiter. Wenn eine Population zu heftig schwankt, ist nicht mal eine besondere Katastrophe nötig, um die Art zu gefährden. Die eigentümlichen Paarungsgewohnheiten des Kakapo sind, wie so vieles andere, Überlebenstechniken.
Die aber nur funktioniert haben, weil es keine Konkurrenz von außen gab. Jetzt, wo sie von Räubern umgeben sind, kann man kaum etwas für ihr Überleben tun, abgesehen von unserem unmittelbaren Eingreifen. Solange wir noch eingreifen können.«
Das erinnert mich wieder an den Vergleich mit der Motorradindustrie, den ich taktvollerweise für mich behalten hatte. Motorradkonstrukteuren stehen Heilmittel zur Verfügung, die Zoologen nicht besitzen. Als ich Don während unseres vorsichtigen Rückzuges über den Kamm zum Hubschrauber frage, wie er die langfristigen Aussichten für die Kakapos nun wirklich einschätzt, ist seine Antwort überraschend sachlich.
»Na ja«, sagt er mit seinem ruhigen, höflichen Tonfall, »alles ist möglich, und wenn man die Gentechnologie bedenkt – wer weiß. Falls wir sie erhalten können, solange wir leben, ist es an der nächsten Generation, sich der Vögel mit den dann zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln, Techniken und wissenschaftlichen Methoden anzunehmen. Wir können nicht mehr tun, als ihren Fortbestand zu unseren Lebzeiten sichern, sie unserer Nachfolgegeneration in möglichst gutem Zustand übergeben und auf Teufel komm raus hoffen, daß sie so ähnlich über diese Vögel denkt wie wir.«
Ein paar Minuten später steigt unser Hubschrauber über Kakapo-Castle auf, senkt die Nase und macht sich, eine kleine gekratzte Vertiefung und eine einzelne, schon etwas ältere Süßkartoffel hinter sich
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