Die letzten schönen Tage
sie nicht
zum Essen eingeladen. Ich habe Kati in den Tod gelockt. Aber das würde nach
Absicht klingen. Es ist viel unerträglicher. Auf besonders tölpelhafte Weise
habe ich Katis Tod verursacht, durch mein Versagen, weil ich die Situation und
die damit verbundenen Risiken nicht korrekt eingeschätzt habe. Es ist Wahnsinn,
bei diesem beschissenen Wetter eine fanatische Fahrradfahrerin zum Essen
einzuladen. Sie war fanatisch, ja, aber das betone ich jetzt doch nur, um die
Schuld von mir abzuwälzen. Plötzlich vibriert mein Handy, ich kann es nicht
glauben, ihr Name steht im Display. Ruft mich die Polizei an, die nach
Angehörigen des Unfallopfers sucht? Gleich wird etwas Wirklichkeit, was bis
jetzt nur Möglichkeit ist. Ich gehe ran. Es ist Kati. Sie sitzt, sagt sie, seit
zwanzig Minuten im Restaurant, wo ich bleibe? Ich bin schweißgebadet und
stammle etwas, halte ein Taxi an, fahre in die Bergmannstraße, zahle mit einem
Zehneuroschein, warte nicht auf das Wechselgeld, stürze ins Restaurant,
schließe die Geliebte in meine Arme und sage dreimal, wie leid es mir tut. Und
der Kellner kommt und sagt zu mir: Da sind Sie ja wieder! Dieser Vollidiot! Er
bringt mich in eine peinliche Situation. Er soll sein indiskretes Maul halten.
Ich bin in der Tat öfter mal hier, lalala, da bin ich also wieder. Zum Glück
sagt er nichts mehr, und schnellschnell bestelle ich was. Irgendwas. Dann bin
ich glücklich. Wie gerade noch einmal dem denkbar boshaftesten Schicksal
entkommen. Ihr erzähle ich nichts. Kati ist eine sehr empfindsame Person.
Nichts soll sie aufregen. Wenn sie wüßte, was ihr eben beinahe zugestoßen ist,
bekäme sie die ganze Nacht kein Auge mehr zu. Meine Uhr, sage ich, meine Uhr
ist kaputt. Ich habe sie im Taxi um dreißig Minuten zurückgedreht. Eine bessere
Ausrede, warum ich zu spät komme, ist mir in dem ganzen Wirbel nicht
eingefallen. Kati war auch gar nicht böse, weil sie ja selber zu spät gekommen
ist. Warum eigentlich? Ich habe völlig vergessen, danach zu fragen. Es wurde
dann noch ein sehr schöner, entspannter Abend. Wir sind zu ihr gegangen und
haben geschmust, Wein getrunken, Fargo geguckt, und dann, als es gar nicht mehr
abzusehen war, miteinander geschlafen. Am Morgen bin ich direkt von ihr aus zur
Arbeit gefahren.
4. Dezember
Gestern war ich mit
Serge verabredet und kam um eine Viertelstunde zu spät, weil David nicht von
mir lassen wollte. Ich schämte mich sehr dafür und hatte mir eine Ausrede
(keine Luft im Vorderreifen) zurechtgelegt, aber als ich das Restaurant betrat,
war Serge noch gar nicht da. Erst nachdem ich ihn angerufen hatte, kam er
endlich, um vierzig Minuten verspätet, hetzte herein, bleich und verschwitzt,
er sagte, seine Uhr sei stehen geblieben, es klang nach Ausflucht, und ich war
für einen Moment tief erschrocken, weil ich dachte, daß Serge mich vielleicht
heimlich beobachtet und verfolgt haben und hinter die Sache mit David gekommen
sein könnte. Aber das ist bestimmt Unsinn, so etwas Abenteuerliches traue ich
Serge nicht zu, und wenn es doch so gewesen wäre, hätte er mich sofort zur Rede
gestellt. Ich fühlte mich dennoch unwohl, ertappt, und machte Serge den Abend
so schön ich konnte. Nur schlafen wollte ich nicht mit ihm, an mir klebte ja
noch Davids Geruch. Obwohl Männer, heißt es, sowas nicht riechen. Ich würde den
Geruch einer anderen Frau an Serge sofort riechen, bild ich mir ein. Irgendwann
ging ich ins Bad und schrubbte mich schnell mit dem Waschlappen ab. Serge
wollte mich, und ich fand, daß ich ihm das nicht abschlagen durfte. Noch nie im
Leben hab ich an einem Abend mit zwei Männern. Serge ahnt zum Glück nichts,
nein. Ich würde ihn nicht ohne Not verletzen wollen. Auf Serge kann ich mich
verlassen, er ist von Herzen gut, und David, der verspricht mir nichts, nutzt
mich bloß aus. Obwohl er ja nur hält, was er mir nie versprochen hat. Ich
beginne, von ihm körperlich abhängig zu werden. Er macht mit mir, was er will,
und fast immer will ich das dann auch. Sind Sachen darunter, die ich nie für
mich in Betracht gezogen hätte. David sagt, ich sei der beste Sex seines Lebens.
Ich wette, daß er das jeder Frau sagt. Und alle hören es gern. Serge nimmt zu
viel Rücksicht auf mich. Ich möchte, daß er einmal mit mir aus dem Rahmen
fällt. Ich hasse es, wenn er fragt, ob es mir wehtut, vor allem, wenn es mir
grade wehtut. Was soll ich denn sagen? Daß es mir wehtut, weil ein anderer mich
dreimal hart rangenommen hat?
Daß es mir wehtut, weil
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