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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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oder vier Wochen lang einfach mal
nichts, aber auch GAR NICHTS von seinen liebsten Freunden zu hören – und
wir haben das hingenommen, als völlig selbstverständlich. Schrieben Postkarten,
die, wenn überhaupt, irgendwann ankamen. Heute kaum mehr vorstellbar, aber so
war es.
    13. Februar
    Kati hat ein neues
Handy. Ihr altes ist somit obsolet, kann entsorgt werden. Ich warf es weit ins
Meer hinaus. Sicher ist sicher ist sicher. David hat tatsächlich noch einmal
geschrieben.
    Liebe Kati,
    du ahnst nicht, was dein Mail von
letzter Nacht bei mir ausgelöst hat. Es hat mir wehgetan, wie du annehmen
kannst.
    Ach halt dein Maul, Weichei!
    Ich werde deinem Wunsch
entsprechen, und dir nicht mehr schreiben.
    Gut so.
    Du sollst aber wissen –
    Unnützes Wissen!
    daß ich immer für dich da sein
werde, wenn du mich brauchst.
    Wenn du sie brauchst, um nicht
in deine hohle Hand abzuspritzen, klar.
    Das meine ich nicht als Phrase.
    Als was denn sonst? Verpiss
dich.
    Ich liebe dich, von ganzem Herzen.
    Wie abgeschmackt ist das denn?
Sapperlot. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte David eine Antwort
geschickt. Der Typ scheint wirklich zu allem fähig. Von ganzem Herzen? Im Stück
und nicht in Scheiben? Das ist ekelhaft. Und über mich hat er kein Wort verloren,
keine Silbe der Entschuldigung, er blendet mich einfach aus. Statt wenigstens
noch so einen verlogenen Scheiß hinzuzufügen wie: Ich wünsche dir, daß du mit Serge glücklich wirst. Aber doch auch irgendwie raffiniert, daß er
das unterläßt. Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Ganz dumm ist er nicht.
    Ach, übrigens, weil du gefragt
hast, meine Handynummer ist 0188 564546
    Hab ich dich das gefragt?
    PS. Ich weiß, du hast eine
Sammelmail an alle deine Bekannten geschickt und einfach nur vergessen, mich
aus deinem Adressverzeichnis zu löschen, dennoch.
    Hmmm. Aha. Kati hat ein
neues Kontaktnetz geknüpft. Da muß ich ja scheißfroh sein, daß David ihr auf dieser Adresse geantwortet hat. Meine Güte, wie leicht da was schiefgehen kann.
Ich muß aufhören mit den Spielchen.
    14. Februar
    Heute morgen um halb
zehn klingelte es an der Tür. Serge schlief noch, ich ging öffnen, hoffte auf
Greta und Ralf – und wer steht da vor mir? Roger. Nicht zu fassen. Woher weiß
er, daß ich hier wohne? Er grinste, wie so oft (und das nervt echt), und meinte,
er habe mal bei Greta und Ralfs Arbeitgebern nachgefragt, ob die vielleicht
über die beiden was wüßten oder gehört hätten. Hatten sie nicht. Ihre Stellen
sind mittlerweile von anderen besetzt. Sieht aus, sagte, er, als kämen die
nicht wieder. Es tue ihm leid, wenn er mich gestört hätte, aber er sei zufällig
in der Gegend unterwegs gewesen und habe mal vorbeischauen wollen. Er habe
einfach angenommen, daß ich unter Gretas Adresse logiere, die sei ihm ja
bekannt gewesen, vielmehr: nicht auswenig bekannt, aber leicht nachzusehen. Ob
er hereinkommen dürfe?
    Die Dreistigkeit dieses
Menschen verblüffte mich. Wenn er wenigstens irgendetwas Neues mitzuteilen
gehabt hätte, aber nein, er steht einfach so vor der Tür, ein über
fünfzigjähriger Mann – und dann kam auch noch Serge angeschlurft und fragte
mich, mit wem ich mich da unterhalte. Das ist der Casinomanager aus dem
Dragonara, sagte ich, er ist so freundlich, mich auf der Suche nach Greta und
Ralf zu unterstützen. Ach? – machte Serge, kam aber nicht zur Tür, lüpfte den
Vorhang und sah durchs Fenster hinaus. Roger fragte, ob ich ihm meinen Freund
nicht vorstellen wolle, und er hoffte wohl auf eine Antwort wie: Das ist nicht
mein Freund, nur ein Bekannter. Ich wollte die peinliche Situation
schnellstmöglich beenden und sagte, daß Besuch mir im Moment nicht gelegen
komme und ich ihn deshalb nicht hereinbitten könne. Plötzlich stand Serge neben
mir, er war splitterfasernackt und legte den Arm um meine Hüfte. Es wurde immer
noch etwas peinlicher. What does he
want? fragte er, ohne Roger
auch nur anzusehen, geschweige denn, ihm die Hand zu reichen. Tell him, we don’t buy anything at the door. Das war nun richtig geringschätzig, echt schon
feindlich gegenüber Roger. Und der hebt erst die Augenbrauen, bevor er einen
ganz und gar unglaublichen Satz losläßt. You can’t be happy with that little cock, can you? Mein Gott, ich dachte, gleich gehen die beiden
aufeinander los. Ich schämte mich für Roger, schämte mich für Serge, schämte
mich für mich selbst. Is he the crazy
guy you have to take care of? – fragte Roger, als ob er unbedingt

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