Die letzten schönen Tage
gestattet ganz unmöglichen Menschen, in ihrer
Wahrnehmung anzudocken. Nur um sich zu zerstreuen, wo sie sich konzentrieren
müßte. Kati ist leichtfertig, um mal das Mindeste zu sagen. Ich hätte sie
vorhin vielleicht nicht einsperren sollen. Aber mit Argumenten, logisch und
ohne Emotionen zu diskutieren, fällt Frauen ja an sich schon schwer. Sie wollte
mir partout entgleiten, ist hysterisch geworden, da hab ich sie ins Schlafzimmer
gesperrt. Damit sie in Ruhe nachdenken kann. Und statt nachzudenken protestiert
sie. Und laut. Das bin ich nicht gewohnt von ihr. Was müssen die Nachbarn
denken?
*
Serge hat mir
geschworen, daß das nie wieder vorkommt. Mich meiner Freiheit zu berauben. Ich
meine, ich habe Verständnis, daß er wegen Roger eifersüchtig ist und sauer auf
mich, weil ich ihm etwas verschwiegen habe, aber daß er mich ins Schlafzimmer
drängt, unter dem Vorwand, ich hätte rumgeschrien – das hab ich nicht, erst als
er den Schlüssel im Schloß herumgedreht hat wie mir zuvor das Wort im Mund –,
das ging echt zu weit. Ich habe laut gerufen: MACH AUF , MACH SOFORT AUF . Da hat er dann irgendwann aufgemacht und gefragt, wie
jemand so laut und vehement behaupten könne, er sei nicht laut und vehement. Er
formulierte es übertrieben, ironisch, wie einen Witz, und meine Wut war halb
verraucht. Es tat ihm auch leid. Ich bin, nachdem wir uns versöhnt hatten, ein
wenig flanieren gegangen, habe im Netzcafé meine Mails abgerufen und die
eingetroffenen Telefonnummern in mein neues Handy gespeichert. David hat nicht
geantwortet. An ihn mußte ich heute wieder denken. Weiß nicht genau, warum. Ich
wünschte, er wäre kein ausgewachsener Mann, sondern klein wie ein Vibrator, den
man in der Handtasche transportiert und bei Gelegenheit gebraucht, ohne
Gemenschel.
15. Februar
Wo soll das mit Kati
und mir noch hinführen? Ich weiß es nicht. Am Ende wird sie mich verlassen, ein
anderer wird kommen und sie mir nehmen, gut, bei diesem Roger hat sie
vielleicht noch Nein gesagt, so bedürftig ist sie denn doch noch nicht, aber es
wird kommen der Tag, da sie mir viel Schmerz zufügt. Huytens hat völlig recht.
Ich müßte aktiv werden, mich von ihr lösen. Er ist klug, zumindest meint er es
gut mit mir. Daß ich Kati eingesperrt habe, wenn auch nur für ein paar Minuten,
war nicht recht, das sehe ich ein. Es tut mir aus tiefstem Herzen leid. Und was
mich am meisten erschreckt, ist, daß ich so ganz anders dachte, als ich es tat.
Ich weiß, ich sollte es eigentlich lassen, aber eben bin ich online gegangen
und habe David geantwortet.
Lieber David,
inzwischen ist hier viel
vorgefallen. Serge hat sich nicht mehr unter Kontrolle, und ich bekomme Angst
vor ihm. Statt sich selbst kontrolliert er mich, sieht in mein Handy, versteckt
mein Handy, manchmal sperrt er mich ein, einmal, gestern, ist er beinahe
gewalttätig geworden. Sein äußerst merkwürdiger Therapeut haßt mich und
versucht Serge einzureden, daß er mich loswerden muß. Ich fühle mich so allein,
müßte resignieren, ein anderes Leben für mich suchen, fliehen, und bringe es
nicht über mich, könnte es nicht vor mir verantworten, will auch nicht das
Handtuch schmeißen, andererseits gehe ich kaputt hier. Noch habe ich dieses
Notebook, noch hat er es nicht gewagt, auch dieses Medium, meine
Schriftlichkeit sozusagen, zu überwachen. Tut mir leid, wenn ich dich mit
meinem Müll belaste.
Ich weiß einfach nicht, an wen ich
mich wenden soll in dieser Angelegenheit. Serge hat mir meine Kreditkarte und
das meiste Bargeld abgenommen, er läßt mir nur so viel, wie ich zum Einkaufen
brauche. Ich weiß, was du sagen wirst, ich soll mich an die Polizei wenden oder
an die deutsche Botschaft, die wird mir helfen, das weiß ich alles selbst.
Du wirst es typisch weiblich
nennen, aber ich bin gefangen zwischen so vielen Gefühlen, vor allem: Ziellosigkeit, Mutlosigkeit, abstrakte Angst, auch echte körperliche Angst,
Vereinsamung, Pflichtgefühl, Reste alter Liebe für Serge, Haß auf mein Versagen
an ihm, Wut auf diesen durchgeknallten Therapeuten, undundund. Dazu kommt, daß
ich nicht zurückwill in den deutschen Winter, wo ich keinen Job mehr habe und
dieser Situation nicht ausgeliefert sein will in meinem momentanen Zustand. So
also geht es mir. Mußte mich mal auskotzen, sorry, statt immer nur zu flennen.
Es ist vielleicht auch nicht falsch, wenn irgendjemand weiß, was hier
geschieht. Hoffe, dir gehts besser. Sei lieb gegrüßt, Kati.
So. Mal sehen, wie der
weiße
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