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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Ritter reagiert. Es interessiert mich einfach. Kneift er den Schwanz ein
und verdrückt sich? Oder bietet er seine Hilfe an?
    Wenn er Kati liebt, wär das
doch selbstverständlich. Er soll sich ruhig mal ein paar Sorgen um sie machen.
    Der französische
Chardonnay für fünffünfzig die Flasche (L’Herbe Sainte) ist ein
Nachtweichmacher, fast wie eine Frau. Wenn man sonst keine Zuflucht findet,
bleibt der Alkohol, das ist großartig. Der Alkohol ist ein liberaler
Landstrich, das läßt sich wohl sagen.
    Ich bin etwas verblüfft.
Davids Antwort kam eben herein, nach nur fünfzig Minuten.
    Liebe Kati,
    ich nehme den nächsten Flieger. Sag
mir deine Adresse. Ich hol dich da raus. Du mußt nicht nach Deutschland zurück,
nicht sofort jedenfalls, laß uns abtauchen, ich kann mir zwei Wochen
freinehmen, laß uns irgendwohin gehen, wo es auch sehr schön ist, nach Rom oder
Tunis. Was hältst du davon?
    Love, yours, D
    Ich muß zugeben, daß mich
das beeindruckt. Beinahe wäre ich geneigt, ihm Kati zu überlassen, würde Kati
etwas von ihm wissen wollen. Eigentlich bekomme ich gerne Post von David. Er
rührt mich. Wie er so tut, als gäbs das Gute auf der Welt, und das sei er.
    Lieber David,
    laß mal stecken. Ich hab wohl eben
in einem Anfall von Selbstmitleid übertrieben und Serge in ein schlechtes Licht
gestellt, das er nicht verdient. Wir kommen so weit klar. Was ist mit deiner
Mutter? Hast du ihr Johnsons Ableben gebeichtet? Kuß, Kati.
    Liebe Kati,
    so kenn ich dich gar nicht. Eben
klangst du verzweifelt, jetzt ist wieder alles paletti? Naja. Mir kommt es so
vor, als hättest du Angst vor deiner eigenen Courage bekommen. Meiner Mutter
geht es übrigens schlecht. Stell dir vor, sie muß alleine herumreisen in
Florida, weil ihre Freundin, sagt sie, die Reise abgebrochen hat, ich blicke da
nicht so ganz durch. Vor ein paar Tagen hab ich ihr noch ein Foto mit mir und
dem Kater geschickt, und ich fürchte mich vor dem Moment, wenn sie vor meiner
Tür steht, um das Vieh in Empfang zu nehmen. Dann werde ich ihr irgendwie sagen
müssen, daß Johnson tot und tiefgefroren ist. Kannst du dir vorstellen, wie ich
mich fühle? Wahrscheinlich wäre ich schon deshalb gerne zu dir gekommen. Ich
gehe allem Unangenehmen so gerne aus dem Weg. War immer schon ein Feigling. Ich
küsse dich, David.
    Lieber David,
    aha, so ist das also. Der tote
Kater wäre der eigentliche Anlaß gewesen, mit mir die Biege zu machen. Sehr
schmeichelhaft.
    Ich bin (es geht auf halb fünf
Uhr morgens zu) schwer betrunken. Muß lange nachdenken, was ich David schreibe
und was nicht.
    Aber du mußt nur mit einem
verreckten Haustier klarkommen, ich hingegen mit einem verrückten Menschen. Der
doch neben seiner Verrücktheit mitunter so zauberhaft sein kann, so einfühlsam,
sensibel, und Gutes tut, auf seine Weise. Neulich kamen wir mal auf dich zu sprechen,
per Zufall. Keine Angst, er weiß nicht, was zwischen uns vorgefallen ist. Aber
Serge findet, daß du seine Arbeit in der Agentur oft sabotiert hast, um dich
ihm gegenüber in Szene zu setzen, er kann dich nicht ausstehen, leider. Wenn er
wüßte, daß wir hier miteinander mailen, er würde ausflippen – und wer könnte
ihm deswegen einen Vorwurf machen? Ich übe schließlich Verrat an ihm. Kuß,
Kati.
    P.S. Einmal angenommen, ich würde
mich für dich entscheiden, würde an Serge die Lust verlieren und in dein Lager
wechseln – wie kämst du damit klar, fortan im Schatten dieses Menschen zu
stehen?
    Liebe Kati,
    ich wußte nicht, daß Serge mir
gegenüber so feindselig eingestellt ist. Wann hätte ich je seine Arbeit
sabotiert? Daß er manchmal eine kritische Zwischenfrage erdulden mußte, hat
sein Ego anscheinend nicht verkraftet. Er hält sich ja für einen Künstler oder
glaubt zumindest, es sei einer an ihm verloren gegangen. In dieser Branche tut
man sich damit keinen Gefallen, vor allem nicht, wenn man so ein mimosenhaftes
Seelchen ist wie Serge. Nun, du mußt damit klarkommen, nicht ich. Doch wenn du
schreibst, daß er dich kontrolliert, daß er dich sogar einsperrt und
gewalttätig wird, dann scheint mir der Punkt erreicht, da man ihm ganz klar die
Grenzen aufzeigen muß. Ich biete dir ernsthaft und erneut meine Hilfe an. Du
bist mir lieb und teuer, und ich würde, obwohl ich von Natur ein Feigling sein
mag, für dich kämpfen. Try it. Ein Wort von dir genügt. Love, David.
    Ach, ich bin also ein
Seelchen? Nun, vielleicht hat er recht. Ich fange beinahe an, ihn zu mögen.
Diesen dreisten

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