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Die letzten schönen Tage

Die letzten schönen Tage

Titel: Die letzten schönen Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Maßnahmen,
und ich solle lesen, einfach lesen.
    *
    Dauernd kommt
irgendwer, um Kati zu ficken. Eben war diese Pest aus dem Casino wieder da,
dieser Roger mit dem Bronzeteint. Was er wolle, fragte ich, statt ihm gleich
eine zu schmieren. Er habe Informationen. Was für Informationen? Informationen
bezüglich der beiden Freunde von Kati. Kati ist nicht da, sagte ich, aber Katis
Freunde sind auch meine Freunde, vielleicht nicht alle, aber manche, er solle
sagen, was er weiß. Ihm gefiel offenbar mein Tonfall nicht, er sah mich
abschätzig an. Jetzt war ich aber neugierig geworden. Hätte er einfach auf dem
Absatz kehrtgemacht, wäre eine schwierige Situation entstanden, er wußte das,
ich wußte das – und wenn er noch mehr wußte, wollte ich das auch wissen. Ich
bot ihm eine Tasse Tee an. Er senkte die Augenbrauen, wirkte über die Offerte
überrascht. Fragte, ob ich eifersüchtig auf ihn sei. Ich sagte, wenn dafür
Grund bestehen würde, wär ichs. Ein schmales Lächeln stahl sich auf seine
Lippen. Es bestehe – leider – nicht der geringste Grund. Wie er dieses
»unfortunately« kokett überbetonte, diese Ehrlichkeit fand ich beinahe
charmant. Wenn man mich mit irgendwas kriegen kann, dann mit Ehrlichkeit. Wir
werden wohl keine Freunde mehr, Rivalen aber auch nicht, sagte Roger. Unfortunately . Es klang, als würde ich keinen Tee für ihn zubereiten
müssen. Endlich rückte er damit raus, daß Greta und Ralf gesehen worden seien.
Professionelle Pokerspieler würden sich untereinander ja kennen, und der
Branchen-Gossip auf den dafür vorgesehenen Internetforen lasse niemanden von
Rang unerwähnt. Kurzum, Greta und Ralf seien in Tiflis, Georgien, wo sie, mehr
schlecht als recht, gerade mal so über die Runden kämen. Und laut den
Gerüchten, die er sonst noch gehört habe, könnten die beiden so bald nicht nach
Malta zurückkehren, sie hätten sich den Zorn mächtiger Leute zugezogen, mit
denen nicht gut Kirschen essen sei. Aha. Ist das alles, fragte ich, und Roger
fragte zurück, ob das denn wenig sei. Ich kam mir vor, als wär ich diesem
Menschen irgendeine Art von Finderlohn schuldig, aber mir fiel nichts ein,
außer »Danke« zu sagen. Damit schien er bereits zufrieden. Er riet mir noch,
bevor er ging, Kati gut zu behandeln, sie habe es verdient. Indeed. She
deserves it. Braucht es einen alternden Mann mit weißem Brusthaar und
Goldkettchen, um mir dessen bewußt zu werden? Daß Greta und Ralf noch leben,
irgendwo, kann mir eigentlich egal sein. Aber daß sie nicht so schnell
zurückkommen können, erleichtert mich schon etwas.
    *
    Sitzungsprotokoll vom 25.1.
    Mein Name ist Serge
Hanowski. Ich bin 33 Jahre alt und von Beruf Werbetexter in einer angesehenen
Berliner Agentur. Derzeit mache ich beruflich eine Pause, aufgrund eines
Burn-Out-Vorfalls, kann aber meine Stelle jederzeit wieder antreten. Hoffe ich.
Genau weiß ich das nicht, nein. Aufgewachsen bin ich im idyllischen Freiburg,
mein Vater war in der Sportartikelbranche tätig, meine Mutter Hausfrau, vorher
gelernte Kosmetikfachkraft. Beide starben 1990, machten mich somit zur
Vollwaise, und ich verbrachte die nächsten fünf Jahre in einem Heim, bevor ich
nach Berlin ging. Ich habe dort studiert, Philosophie und Germanistik, beides
nach drei Jahren abgebrochen. Mein Geld verdiente ich als Kartenabreißer im
Kino, als Parkplatzwächter usw., meistens handelte es sich um Jobs, in denen
ich viel Zeit hatte, um nebenbei zu lesen. Für diverse Berliner Stadtmagazine
habe ich aushilfsweise gearbeitet, mit Kulturkritiken und kleineren
journalistischen Arbeiten. In die Werbebranche bin ich durch Zufall geraten,
ich kannte jemanden, hatte im richtigen Moment eine Geizei, die mir einfach so
einfiel, die ihm imponierte. Was eine Geizei ist? Die Abkürzung für eine GEILE ZEILE , einen besonders einleuchtenden oder witzigen
Werbespruch. Viele Geizeis für eine bestimmte Tabakwerbung, die in Deutschland
jedem geläufig sind, stammen von mir. Ich habe wie besessen gearbeitet, um mehr
als einen Fuß in die Branche zu stemmen. Freundinnen hatte ich wenige, zwei,
mit denen ich länger als ein Jahr aushielt. Prostituierte fand ich lange Zeit
effektiv und gar nicht so kostspielig. Was die Karriere betraf, zahlte sich die
Arbeit aus. Es gelang mir nicht nur eine Festanstellung zu finden, sondern
sogar, wenn ich das sagen darf, mich mit brancheninternem Ruhm zu bekleckern.
Richtig gut ging es mir bald, doch je besser es mir ging, umso mehr Angst bekam
ich auch, daß es mir

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