Die letzten schönen Tage
noch einen draufsetzen müsse. Ich
hielt Serge umklammert. Wie soll ich ihm den Satz jemals erklären? Warum tut
Roger mir das an? Please go! Rief ich. Leave! Now! Und ich
gebrauchte das Wort asshole . Roger sah mich diesmal nicht grinsend an,
eher irgendwie belustigt. Verschmitzt ist das richtige Wort. Dann blinzelte er,
wie man einem Verbündeten zublinzelt, und machte auf dem Absatz kehrt. Überließ
mich der Situation.
Hast du mir was zu sagen?
fragte Serge, mit gespielter Ruhe. Er bebte, ich sahs an seinen Fingerspitzen.
*
Heute hat Katis
neuer Verehrer bei uns geklingelt. Sie litt Höllenqualen. Die ich ihr gönne.
Sie hat natürlich versucht, sich rauszureden, der Kerl sei ein tolldreister
Macho und sie habe ihm nie auch nur irgendein Signal gegeben, sich ihr nähern
zu dürfen. Sie sei ihm beim ersten Besuch im Casino begegnet, meistens sei er
recht freundlich und hilfsbereit gewesen. Ja, er habe ihr den
Spielchip geschenkt, sogar noch mehr davon, insgesamt für 50 Euro Chips,
Geschenk des Hauses, das habe sie mir gegenüber vergessen zu erwähnen und es
dann aus der Welt geschafft, indem sie die Chips im Klo runtergespült habe.
Aber warum hat sie geglaubt, Chips, also Geld, im Klo runterspülen zu müssen?
Das stinkt doch. Und warum hat der Kerl mich als crazy guy bezeichnet? Kati gab zähneknirschend zu, mal flapsig über mich geredet zu
haben, sie habe zu dem Zeitpunkt ja nicht ahnen können, daß sie mit Roger, so
heißt er, noch jemals was zu tun haben würde. Ob das bei ihr gängige Praxis
sei, fragte ich, mich als kranken Typen zu bezeichnen im Gespräch mit Fremden?
Es tut ihr angeblich sehr leid. Dann ging sie in die Offensive, warf mir vor, schuld
zu sein an der Eskalation, ich hätte mich nicht nackt neben sie hinstellen und
Roger beleidigen dürfen, es sei doch klar, daß ein verliebter Südländer dann
austicken und auf die Provokation seinerseits provokant reagieren wird. Ja, sie
gab zu, daß Roger ihr Avancen gemacht hat, dafür könne sie nichts, sie habe das
stets strikt unterbunden. Ich würde doch wohl nicht ernsthaft annehmen, daß
zwischen ihr und Roger irgendetwas laufe. Irgendwas, sagte ich, läuft da aber
doch, und du fandest es nötig, darüber zu schweigen. Das sind die Fakten. Kati
redete was von einer unglücklichen Verkettung von Kleinigkeiten, die in der
Summe mehr ergäben, als da je gewesen sei. Jetzt sei der Spuk vorbei, ich hätte
gewonnen, hätte meine Rolle als Platzhirsch eindringlich inszeniert. Roger
komme sicher nicht so schnell wieder, und darüber sei sie auch recht froh.
So also ist die Lage. Wenn
Kati eines nicht gut kann, dann lügen. Ich bin relativ überzeugt davon, daß die
beiden keinen Sex hatten, ich müßte mich schwer täuschen, aber wenn Kati einen
Kerl wie den attraktiv finden würde, wäre sie mir ohnehin für immer verleidet.
Ich kenne ihren Geschmack, was Männer betrifft, habe Fotos ihrer Verflossenen
gesehen – auch David paßt ins Raster. Schmale Intellektuelle, leicht
melancholisch, blaß, mit subtilem Stil und lakonischem Witz – das entspricht
ihrem Beuteschema. Kein braun gebrannter, Sein-weißes-Brusthaar-Herzeiger über
fünfzig, mit Kettchen, prolligen Sprüchen, Feistgesicht, Kirk-Douglas-Kinn und
bunt geschecktem Hemd. Nein, wenn ich darüber nachdenke, ist es ganz klar: Hätten die beiden schon mal miteinander geschlafen, hätte der Kerl nicht bei
uns anklopfen müssen, das muß genau genommen ein Akt der Verzweiflung gewesen
sein, ein Versuch, in unser Leben einzudringen, sich ein grobes Bild davon zu
machen. So weit bin ich beruhigt. Bleibt die Tatsache, daß Kati etwas vor mir
geheim gehalten, mir bewußt verschwiegen hat. Und ich meine: Sie ist ja nicht
ich! In ihrem Fall wiegt das viel schwerer, als wenn etwa ich ihr etwas verschweigen würde. Ich bin ein Mann, der nicht so ganz richtig
funktioniert, ich habe meine Gründe. Sie hat keine. Oder wollte sie mich
schonen, weil sie weiß, wie sensibel ich bin?
Ach, wie ich Kati schon wieder
in Schutz nehme, schönrede, reinwasche. Statt mir endlich einzugestehen, daß
ich mich auf sie nicht hundertprozentig verlassen kann.
Und wofür will sie das alles
getan haben, die ganze Scheiße hinter meinem Rücken? Aus Sorge um Greta und
Ralf? Was genau ist so wichtig an Greta und Ralf? Je länger ich darüber
nachdenke, desto klarer wird es: Sie nimmt dankbar jeden noch so
fadenscheinigen Anlaß in Kauf, sich mit etwas anderem zu beschäftigen als mit
mir. Flieht vor der Realität,
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