Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
Vom Netzwerk:
auf den Tisch, ging dann ins Bad und betrachtete sich im Spiegel, sah das vom Schlaf verwirrte Haar, die beschatteten Augen und die Flecken alter Kosmetik. Sie war entsetzt über das Gesicht, das sie Richard gezeigt hatte, der sie überrumpelt hatte, ihm das zu zeigen. Sie schrubbte es sofort ab und bürstete sich das Haar und zog Pantoffeln über die nackten Füße, die sich durch die Kälte der Fliesen schon fast wie betäubt anfühlten.
    Dann verzehrte sie sparsam ihr Frühstück, denn sie wollte auf ihre Figur achtgeben, und zog sich an, setzte sich hin und nähte. Die Stille wirkte doppelt so schwer wie vorher. Sie summte sich selbst etwas vor, versuchte, die Leere auszufüllen. Sie sang... sie hatte eine schöne Stimme, und sie sang, bis sie heiser zu werden fürchtete, während das Muster wuchs. Eine Zeitlang las sie auch, und als sie sich langweilte, entdeckte sie eine neue Frisur; aber nachdem sie sich entsprechend zurechtgemacht hatte, dachte sie, daß diese Frisur Richard vielleicht nicht gefiele, wenn er wieder anrief, und es war wichtig, daß ihm ihr Aussehen gefiel. Sie kämmte das Haar also wieder in den alten Stil und mißtraute doch die ganze Zeit diesem Instinkt, diesem Vertrauen auf ein Aussehen, das bereits versagt hatte.
    So ging der Tag vorüber, und Richard rief nicht mehr an.
    Sie wollten Tom. Es bestand die Möglichkeit, daß, wenn sie Richard Toms Namen nannte, er der richtige war, denn es war nur zu offensichtlich, wer eine Akte aus Richards Büro geholt haben
konnte
, denn Richard war häufig nicht da gewesen und Tom ihr währenddessen bei ihren Pflichten nachgestiegen, hatte sie dabei geneckt.
    Am sichersten war es, nicht zu fragen und nichts zu wissen. Dazu war sie entschlossen. Ihr widerstrebte, was geschehen war... Politik... Politik. Sie haßte die Politik.
    Tom... war jemand zum Lieben. Jemand, der sie liebte; und Richard hatte so seine eigenen Gründe, aber letztlich lief alles auf zwei Männer hinaus, die eifersüchtig waren. Und Tom, der unschuldig war, hatte keine Vorstellung davon, was für einer Sache er sich gegenübersah... Tom konnte verletzt werden, aber Richard würde niemals sie verletzen; und solange sie ihm nichts sagte, hatte sie weiterhin die Macht, ihn zu verwirren. Solange er verwirrt war, würde er nichts tun.
    Sie war nicht ganz überzeugt... – von Toms Unschuld oder von Richards Einstellung. Sie war es nicht gewöhnt, nein zu sagen. Sie war es nicht gewöhnt, in eine schwierige Position gebracht zu werden. Tom hätte das nicht von ihr erbitten sollen. Er hätte es besser wissen sollen. Es war nicht fair, was er tat, in was er sich da auch selbst verwickelt hatte – irgendein billiges kleines Aktenschwindelstück –; es war nicht fair, daß er sie in diese Lage gebracht hatte.
    Das Muster wuchs, feine Reihen von Stichen, ein vielschichtiges Design, das keine Überlegung erforderte, sondern nur einen Blick, und sie weinte manchmal und wischte sich die Augen, während sie weiterarbeitete.
    Das Licht verblaßte vor dem Fenster. Das Abendessen wurde gebracht, und sie aß, und an diesem Abend machte sie sich nicht für das Bett zurecht, sondern hüllte sich in ihren Bademantel, um sich zu wärmen, setzte sich auf den Stuhl und wartete; sie hatte keine Angst und wartete auf die Kinder, erwartete sie mit einem seltsam starken Verlangen, denn sie waren zumindest Gesellschaft für sie, und es war schön, an diesem grimmigen Ort Gelächter zu hören. Sogar das Gelächter ermordeter Kinder.
    Eine gewaltige Stille trat ein. Und nicht das Lachen der Kinder diesmal, sondern der Tritt schwererer Füße, das gedämpfte Klirren von Metall. Ein grimmiges, stoppeliges Gesicht materialisierte im abgeschwächten Licht.
    Sie stand beunruhigt auf und wärmte die frierenden Hände an ihren Lippen. »Edward!« rief sie laut. »Edward, Richard... seid ihr da?« Aber der auf sie zukam, war größer und nackt an Gesicht, Armen und Beinen; ansonsten war überall Bronze zu sehen, und er trug obendrein noch ein
Schwert
. Bettine wollte die Kinder, wollte Anne oder Robert Devereaux, irgendeinen von den anderen. Aber dieser jetzt... war anders.
    »Bettine«, sagte er mit einer Stimme, die in großer Ferne widerhallte. »Bettine.«
    »Ich denke nicht, daß ich Sie mag«, sagte sie.
    Der Geist blieb mit leisem metallenen Klirren stehen, schwankte weiterhin zwischen klarer Sichtbarkeit und Verblassen. Er war jung, sogar stattlich auf eine fremdartige Weise. Er nahm den Helm ab und klemmte ihn

Weitere Kostenlose Bücher