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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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vielleicht würde Tom versuchen, sie davon zu überzeugen, daß Bettine irgendwie die Schuld traf, in etwas, was nicht ihr Fehler war.
    Das erschreckte sie. Aber Tom liebte sie. Das tat er wirklich. Tom würde nichts sagen, was ihr Schaden zufügte, wo er doch ein Mann war und tapferer als sie und motiviert durch irgendwelche vage andersartigen Absichten, die etwas mit Stolz zu tun hatten und damit, stark zu sein, Eigenschaften, denen sie ihr ganzes Leben lang aus dem Wege gegangen war.
    Sie widmete sich der Routine des Tages, soviel von dem Tag noch übrig war, und packte alles ein, außer dem Kleid, von dem Richard gesagt hatte, es passe zu ihren Augen. Dieses zog sie an, weil sie die ganze Nacht sitzenbleiben wollte, denn sie wollte sicherstellen, daß Richard sie nicht in einem Zustand überraschte, in dem sie nicht schön war, und es würde ihm ähnlich sehen, diesen gemeinen Trick zu versuchen. Sie würde einfach, ganz mit Kissen abgestützt, im Sitzen schlafen und damit erreichen, daß ihre Röcke keine Falten bekamen. Auf diese Weise konnte sie gleichzeitig schön sein und etwas schlafen.
    Und sie ließ das Licht an wegen der Geister, die sich wohl betrogen fühlen würden.
    War er wirklich auf diese Weise gestorben? überlegte sie, im Fall des Römers, des jungen Römers, der über Schlachten aus vergangenen Zeitaltern berichtet hatte. War er wirklich so gestorben, oder hatte er es nur erfunden, damit sie ihm zuhörte? Sie dachte an Schlachten, die vielleicht genau hier geführt worden waren, wo dieses Gebäude stand, in all den vielen, vielen Zeitaltern.
    Und das Licht verblaßte.
    Die Kinder kamen, machten ernste Gesichter, erst Edward und dann Richard, der dastand und sie mit wäßrigen, mißbilligenden Augen anstarrte.
    »Es tut mir leid«, sagte sie kurz. »Ich werde gehen.« Dann die anderen, Anne und Robert, Anne mit ihrem herzförmigen Gesicht und dunklem Haar und den liebreizenden Manieren, Essex groß und elegant, und beide blickten sie nicht ganz mit dem Ausdruck an, mit dem sie gerechnet hatte – nicht mißbilligend, mehr, als hätten sie Geheimnisse verschluckt. »Es war schließlich doch Politik«, fragte Anne, »nicht wahr, Bettine?«
    »Vielleicht war es das«, sagte Bettine kurz angebunden, haßte es, daß sie unrecht gehabt hatte. »Aber was bedeutet mir das? Ich werde doch von hier wegkommen.«
    »Was, wenn dein Liebhaber dich beschuldigt?« fragte Essex. »Es passiert schon mal, daß eine Liebe endet.«
    »Das wird er nicht«, meinte sie. »Das würde er nicht. Wahrscheinlich nicht.«
    »Exemplum«
, sagte eine traurige Stimme. »O Bettine, ist das deines?«
    »Halt den Mund!« wies sie Marc zurecht. Ihm gegenüberzustehen, war am schwersten, denn sein trauriger dunkler Blick schien etwas Besonderes von ihr zu erwarten. Es tat ihr sofort leid, daß sie grob gewesen war; er machte ein Gesicht, als wollte ihm das Herz brechen. Er schwankte, und sie sah, daß er mit Staub bedeckt war, seine Rüstung gespalten und blutig, und Tränen strömten an seinem Gesicht herunter. Sie schlug entsetzt die Hände vors Gesicht.
    »Du hast ihm weh getan«, sagte Anne. »Wir kehren in unseren schlimmsten Augenblick zurück, wenn man uns derartig weh tut.«
    »O Marc«, sagte sie, »es tut mir leid. Ich möchte dich nicht verletzen. Aber ich möchte
leben
, verstehst du... kannst du dich nicht daran erinnern? Hättest du dafür nicht auch alles hergegeben? Und du hattest so viel... als die Sonne noch jung war und alle Dinge neu. O Marc, machst du mir Vorwürfe?«
    »Es stellt sich nur eine Frage«, sagte er, seine Augen in Trauer schmelzend. »Es ist dein Augenblick, Bettine. Deiner.«
    »Na ja, ich bin nicht wie du; ich war es nie und werde es nie sein. Was nützt es, recht zu haben und tot zu sein? Und was ist recht? Wer weiß das schon? Es ist alles relativ. Tom ist nicht so wundervoll, muß ich dir sagen. Und Richard auch nicht. Und ein Mädchen schlägt sich durch, so gut es eben kann.«
    Ein Wind blies und eine Regung ging durch die anderen, das Einziehen von Atem. Essex umfaßte Annes schlanke Gestalt, und die Kinder zogen sich an ihre Röcke zurück. »Es ist
sie
«, sagte der junge Edward. »
Sie
ist gekommen.«
    Nur Marc entzog sich der Panik, die von den anderen Besitz ergriff; jetzt wieder deutlich, bewegte er sich mit militärischer Präzision an eine Seite, warf einen Blick zurück durch die hindernde Wand, wo eine winzige Gestalt näher kam.
    »Sie ist nicht hier gestorben«, sagte er ruhig.

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