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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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Verlängerungshaken mit der rechten Hand, drückte ihn frei, und selbst als der Wind ihn am weitesten in die gewünschte Richtung schwang, konnte er den nächsten Haken nicht erreichen. Er zog die Verlängerung schließlich zurück, ließ sie frei am Seil schwingen, und sein schmerzender Arm fiel herab, als er sich in das Geschirr sinken ließ. Dann hob er mühsam wieder den Kopf und sah, daß seine Teamgefährten gleichfalls reglos waren. Ihre Seile hatten sich verwickelt. Sie waren in Schwierigkeiten, vom Wind umeinander verdreht, erschöpft. Hin und wieder, wenn Johnny aufblickte, sah er, wie einer von ihnen gegen die Luke hämmerte, aber hören konnte er nichts, denn der Wind verschluckte alles. Hier, wo sie sich befanden, gab es keine Fenster. Es war ein blinder Winkel. Niemand sah sie; niemand hörte sie.
    Das Licht schwand, von der vordringenden Wolkendecke in letzte, fließende Farben gehüllt. Der Wind wehte auch weiterhin, und langsam spuckte auch Nebel nach ihnen, vereiste die Seile, vereiste die Anzüge, fror bis zu den Knochen durch. Johnny beobachtete, wie im fernen, fernen Queens-Turm die Lichter angingen, dachte, daß vielleicht jemand hinausblickte, daß jemand vielleicht die einsamen Gestalten sah, daß jemand vielleicht neugierig wurde und einen Anruf tätigte.
    Nein. Unmöglich, daß sie so weit sehen konnten, nicht mit bloßem Auge. Er konnte sich loshaken und früh sterben. Mehr nicht.

    Er tat es nicht. Er hing herum, während sein Körper immer tauber wurde und die Kälte sich zu seinen Knochen vorarbeitete. Wie viele Stunden würde es dauern, bis jemand sie vermißte? Bis die anderen Liner Fragen stellten?
    Er blickte auf, eine gewaltige Anstrengung, sah etwas, das in der Dunkelheit wie das Anheben eines Armes zur Luke aussah. Sie versuchten es immer noch. »Wer ist abgestürzt?« wollte er fragen. Er konnte nicht, winkte nur schwach mit der Hand, um ihnen zu zeigen, daß er noch lebte. In den Masken und den dunklen Anzügen war es unmöglich zu erkennen, um wen es sich in diesem Gewirr aus Seilen und Körpern handelte.
    Es dunkelte, wurde Nacht, und Johnny spürte, wie sich an seiner rechten Seite eine Eisschicht bildete, krümmte sich und brach sie von seinem Anzug. Das Geschirr um Brust und Hüfte und Leistengegend zerrte in einem schrägen Winkel an ihm, und die Schwerkraft und das Zerren des Windes schnitten das Blut von einer Körperhälfte ab. Er kämpfte, und als der Wind ihn weit hinauszog und dann wieder zurück an die Wand schleuderte, dachte er daran, daß das dünne Seil mit jeder Bewegung immer mehr ausfranste. Es sollte eigentlich nicht.
    Es sollte eigentlich nicht. Sie waren ermordet worden.
    Starben deshalb hier draußen.
    Hinaus und zurück. Er ächzte unter der Qual, ein betäubtes Wimmern, denn er hatte genug, aber niemanden bei sich, dem er es erzählen konnte. Wieder hinaus – und zurück an die Wand.
    So ging es unablässig weiter, und die Wolken versperrten sogar den Blick auf die Sterne, nur die Lichter der Stadt waren sichtbar, die wie Edelsteine strömten und wirbelten und tanzten. Er bekam einen Eissplitter zu fassen und schob ihn sich unter die Maske und in den Mund, um den quälenden Durst zu lindern. Der Arm fiel wie Blei herab. Er hörte auf, sich zu bewegen, war sich nur noch des heulenden Windes bewußt, eines Schmetterns, so als würde er von einem Riesen angehoben und wieder hinabgeschleudert.
    Lös den Haken!
flüsterte eine leise Stimme ihm zu.
Gib auf! Laß los!
    Jemand tat das. Ein Körper wirbelte vorbei, ein dünner, protestierender Schrei – vielleicht anders überlegt? Gram? Empörung?
    Er konnte ihn nicht fallen sehen. Der Körper verschwand in Dunkelheit und Ferne, für einen Moment ein Schatten vor dem Licht unten, und dann verschwunden, vom Wind davongetragen.
    Haben sie sie nicht entdeckt da unten?
wunderte sich Johnny.
Wissen sie es noch nicht?
Aber die Oberseite des ganzen Grundes war abgedeckt wegen der Bauarbeiten. Niemand würde etwas erfahren, sofern nicht jemand im Moment des Sturzes hinausblickte, sofern es nicht zufällig jemand sah.
    Einer vom Team war oben geblieben. Ein Gefährte in der Dunkelheit. »Wer bist du?« schrie er. »Wer?«
    Seine Stimme wurde fortgetragen. Keine Antwort erreichte ihn.
    Er sank ins Geschirr zurück, ließ die Hand fallen, erschöpft, im Begriff, bewußtlos zu werden.
    Kam wieder zu sich auf dem Höhepunkt eines Schwungs, schrie auf, als er für einen Moment frei in der Luft hing. Aber er war immer noch

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