Die letzten Städte der Erde
Gras mußte trocken sein, dann setzten sich die Horden in Marsch und führten Krieg untereinander.
Aber ein Stamm, friedlicher als die anderen, kam zum jahreszeitlichen Handel und sagte, bevor er wieder in die Ebenen hinauszog, daß sich in den Jahren des grünen Grases und des nur geringfügig auftretenden Staubes die Horden vermehrt hätten, die menschlichen und tierischen gleichermaßen. Das kündete von der Ankunft noch größerer Massen. Und sie sagten der Stadt, was die Stämme schon seit Jahren wußten, daß die Stadt Frieden gehabt hatte, weil die Horden sich zu Kriegen weit im Westen versammelt hatten... daß eine einzelne Horde alle anderen unterworfen hatte und ein einzelner Führer aufgestiegen war, unter dessen Pferdeschwanzbanner alle Horden der Weltebene marschierten. Sie selbst, sagten die von dem friedlicheren Stamm, bereiteten sich darauf vor, weit weg zu ziehen: das taten alle freundlichen Stämme, die Freunde der Stadt, die einer solchen Streitmacht nicht widerstehen konnten. Aber die Stadt argwöhnte etwas anderes, tat es in dem Wissen, daß die Stämme sie nicht liebten. Es handelte sich um ein bloßes Gerücht, wurde im Rat gesagt: ein schlauer Trick, um ihren Mut zu schwächen für den Fall, daß diesen sehr friedlichen Stämmen die Handelsgüter ausgingen und sie sich der Räuberei zuwandten.
Aber die Staubstürme wurden heftiger, und die Stämme verschwanden tatsächlich.
Die Stadt des Himmels durchforschte ihre Aufzeichnungen und ihr langes Gedächtnis jetzt mit größerem Ernst. In der Tat wurden all diese Zeichen bestätigt, daß eine Sache dazu neigte, zur nächsten zu führen. Sie hätten den grünen Jahren mißtrauen und größere Vorräte an Waffen anlegen sollen.
Vielleicht, schlugen manche jetzt vor, sollten sie die Fremden, ihre Kinder, herbeirufen, damit sie mit ihren Maschinen und Sternfahrerwaffen kamen und dabei halfen, die Eindringlinge zurückzuschlagen. Aber die Bürger wollten es nicht, denn die Fremden, ihre Kinder, waren grob und ungestüm und schätzten es, die Dinge auf ihre Weise zu handhaben, was – wieder eine Warnung ihrer uralten Erfahrungen – dazu führen würde, daß die Fremden die Schönheiten der Stadt erblickten, und das Erblicken führte wiederum zum Begehren; das Begehren wiederum zu streitsüchtigen Drohungen und zu Unruhen in der Stadt. Die Sternfahrer zu rufen bedeutete, eine weit größere Horde einzuladen als die, die sich vielleicht auf den gewaltigen Ebenen sammelte, und damit eine ebenso schlimme Plünderung.
Also taten sie es nicht.
Schließlich zeigten die Berichte, daß in den vergangenen Epochen solche Angriffe schon oft erfolgt waren, und daß die Stadt, sofern gut vorbereitet und gut geführt, stets obsiegt hatte.
Erst als der Staub im Westen eine stärkere Färbung annahm, war die Stadt eindeutig alarmiert. Diese Rauchfahne inmitten der wehenden Wolken war tatsächlich breiter als je zuvor in der Erinnerung der Lebenden, und dunkler. Es war ihre einzige Warnung, jetzt, wo die Stämme der Umgebung verschwunden waren und sie keine Augen und Ohren mehr hatten – wohl aber waren sie geistig vorbereitet. Die Soldaten der Verbotenen Stadt schmückten ihre Rüstungen mit Bändern, polierten ihre Waffen und kümmerten sich um ihren Vorrat an Schießpulver – denn noch tödlichere Waffen würden wieder die undankbaren und flegelhaften Sternfahrer ins Spiel bringen, und davon wollte die Stadt nichts wissen, da auch der Feind, wie sie sicher annahm, keine derartigen Waffen besaß. So marschierten sie in großer Zahl hinaus, Fußtruppen, denn das Volk der Verbotenen Stadt machte keine Reisen mehr und bevorzugte die Stabilität der Infanterie in den wenigen Kriegen, die es noch führte. Sie bereiteten sich darauf vor, so zu kämpfen, wie sie lebten, mit Genauigkeit und Eleganz, mit Bändern, die an Rüstungen und Waffen flatterten, und mit Blumen auf den Helmen.
Die ganze Stadt blickte nach draußen, um die Soldaten beim Abmarsch zu sehen, winkte mit farbenfroh bestickten Kopftüchern von den schönen Mauern herab, veranstaltete Drachentänze auf den Straßen, warf Blumen und jubelte den tapferen Verteidigern der Stadt zu.
Es war ein Ereignis, keine Krise. Ah, sie wußten von der Gefahr, aber die Gefahr war fern, und der lange stille Frieden hinter den Mauern hatte die Menschen philosophisch und glücklich gemacht.
Die Zahl derer, die hinausmarschierten, entsprach bei weitem nicht der Gesamtzahl junger Menschen in der Stadt. Tatsächlich
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