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Die letzten Städte der Erde

Die letzten Städte der Erde

Titel: Die letzten Städte der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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sich zu einem Raum aus Beton; Johnny packte Mason am Arm und ging mit ihm aus dem Wagen. Dieser fuhr wieder ab. »Ich glaube, sie haben ihn zurückgerufen«, sagte er ruhig. Zog mit der linken Hand am Lukenhebel.
    Krachend und widerhallend öffnete sich die Tür. Der Wind traf sie wie ein Hammerschlag, und Mason fuhr zusammen. Ein breiter Balkon lag draußen, wuchtige Rohre, an denen Seile hingen. Mason hielt sich an der Tür fest, und Johnny zerrte ihn am Arm vorwärts. Die ganze Welt lag unter ihnen, in der Dämmerung ausgebreitet, und sie hatten Eis unter den Füßen, Eis von einem feinen, wehenden Nebel, der bitterkalt war und die Muskeln zum Zittern brachte. Mason rutschte aus, und Johnny packte ihn am Ellbogen, ging einen Schritt weiter.
    »Ich kann nicht mehr hinaus in die Seile gehen«, sagte Johnny. »Kann nicht mehr zu den Fenstern hinausschauen. Aber die Firma hilft, nicht wahr?« Er führte Mason weit hinaus über den Balkon, die Augen auf den dunstigen Horizont gerichtet, und Mason kam mit, zitterte krampfartig unter der Umklammerung von Johnnys linkem Arm. Der Wind schüttelte sie heftig durch und brachte beide zum Stolpern, und sie rutschten unter seiner Wucht auch etwas auf dem Eis. Johnnys rechte Seite war taub. Er hielt den Arm um Mason geklammert und ging mit ihm bis ans eigentliche Geländer. »Ein unvergleichlicher Ausblick, Mr. Mason. Ich träume davon. Es ist kalt. Und es ist weit. Blicken Sie nach
unten
, Mr. Mason!«
    Mason hielt sich krampfhaft am Geländer fest, die Knöchel weiß. Johnny ließ ihn los und wich von ihm zurück, drehte sich um und ging zurück zu den Aufzugtüren.
    Die Luke ging auf. Polizisten standen dort mit gezogenen Pistolen. Aber sie blieben innen, lehnten sich an die Wand, Übelkeit in den Augen, die Hände um die angelegten Pistolen gekrampft.
    Johnny lachte, geräuschlos im Wind, deutete zum Rand, zu Mason. Keiner der Polizisten machte eine Bewegung. Die Welt lag nackt unter ihnen. Die gewaltige Höhe der anderen Türme war nichts im Vergleich zu dem hier, der eigentlichen Stadt, des großen Manhattan-Turms. Johnny grinste die Polizisten an, während der Wind die Wärme aus ihm saugte.
    »Holen Sie ihn!« schrie er die Polizisten an. »Gehen Sie hin und holen Sie ihn!«
    Einer versuchte es, trat einen Schritt hinaus, erstarrte und sank zu Boden.
    Und langsam und vorsichtig, die Hände hochhaltend, damit sie sehen konnten, daß sie leer waren, ging Johnny zurück zu Mason, ergriff dessen rechte Hand und zerrte sie vom eisigen Geländer weg; löste auch die andere, blickte fast mitfühlend in ein Gesicht, das sich in eine starre Maske des Schreckens verwandelt hatte, der Mund weit geöffnet und trocken, die Augen stierten irr. Er legte den Arm um Mason wie um einen Bruder und ging langsam mit ihm zurück zu den Polizisten. »Mr. Mason«, sagte er zu ihnen, »scheint sich in eine Lage gebracht zu haben, aus der er nicht allein zurück konnte. Aber er wird jetzt wieder in Ordnung kommen.« Mason klammerte sich mit beiden Händen an ihn und wollte nicht loslassen. Johnny ging hinein und stieg mit den Polizisten in den Aufzug, den Arm immer noch um Mason gelegt, und Mason klammerte sich an ihn, während der Lift nach unten raste. Er streichelte Masons Haar, wie er einst das von Sarah gestreichelt hatte. »Ich hatte eine Schwester«, flüsterte er Mason ins Ohr. »Aber jemand hatte eine Tür verschlossen. Vor uns allen. Man wird Bettin verurteilen, natürlich. Und alles wird vergessen werden, nicht wahr?«
    Der Aufzug hielt auf einem der unteren Stockwerke an. Die Polizisten schoben ihn hinaus, waren vorsichtig wegen Mason; und Fenster waren dort, großflächige Fenster, und die Dämmerung schimmerte auf den anderen Gebäuden am Horizont. Mason schluchzte und wandte das Gesicht ab, hielt sich an ihm fest, aber die Polizisten zogen sie auseinander; und Mason drückte sich fest an die Wand, klebte daran, das Gesicht von den Fenstern abgewandt.
    »Ich glaube nicht, daß ich Ihren Job möchte«, sagte Johnny. »Ich gehe wieder hinaus in die Seile. Ich glaube nicht, daß ich in Ihr Büro gehöre.«
    Er machte Anstalten zu gehen. Die Polizisten hielten ihn fest, verdrehten seinen Arm.
    »Wollen Sie tatsächlich
mich
vor Gericht bringen?« fragte er Mason. »Will es der Bürgermeister, oder der Rat?«
    »Lassen Sie ihn gehen!« sagte Mason heiser. Die Polizisten zögerten.
»Lassen Sie ihn gehen!«
Sie taten es. Johnny lächelte.
    »Meine Seile werden nicht reißen«, sagte er.

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