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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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Besuch in Brüssel einem der inzwischen 28 EU -Kommissare zu stellen.
    Wie konnte eine Krise so gewaltigen Ausmaßes quasi über Nacht ausbrechen? Hat sie niemand kommen sehen? Steuerte Zypern auf einen Staatsbankrott oder eine Bankenpleite zu? In den Berichten wurden beide Begriffe synonym verwendet. Wenn auf den Konten der beiden größten zyprischen Banken 70 Milliarden Euro lagen, wie konnten sie dann Probleme mit der Liquidität haben? Wieso war in den Berichten immer von einer »Beteiligung« der Konteninhaber an der »Rettung« der Banken die Rede? Sich an etwas zu beteiligen, ist ein aktiver Vorgang, er setzt eine Interessenabwägung und einen Entschluss voraus. Davon konnte im Falle der Anleger keine Rede sein, denn sie wurden genötigt, einen Teil ihrer Einlagen zu opfern. Vor allem aber: Warum wurde Zypern, dessen nördlicher Teil 1974 von den Türken annektiert worden ist, im Jahre 2004 überhaupt in die EU aufgenommen, obwohl den Statuten der EU entsprechend nur die ganze Insel der Union hätte beitreten dürfen? Auch das »Geschäftsmodell«, von dem Finanzminister Schäuble dauernd munkelte, war allen Beteiligten bekannt, so wie allen auch das »Geschäftsmodell« von Luxemburg, Malta, Liechtenstein, der Schweiz, den Cayman Islands hinlänglich bekannt ist.
    Die Antwort auf diese Frage steht auf einer offiziellen Homepage der EU (http://europa.eu/about-eu/countries/member-countries/cyprus/index_de.htm), auf der das Mitgliedsland Zypern vorgestellt wird. Da heißt es, Zypern sei »seit Jahrtausenden eine Brücke zwischen Europa, Asien und Afrika«, man findet auf der Insel »auch heute noch zahlreiche Spuren vergangener Kulturen«, darunter »römische Amphitheater und Villen, byzantinische Kirchen und Klöster, Kreuzritterburgen, osmanische Moscheen und prähistorische Siedlungen«. Außerdem sei Zypern auch »als Insel der Aphrodite – der Göttin der Liebe und der Schönheit – bekannt«; über die Ökonomie der Aphrodite-Insel erfährt der Leser Folgendes: »Die bedeutendsten Wirtschaftszweige Zyperns sind die Tourismusbranche, Ausfuhr von Kleidung und Kunsthandwerk sowie die Handelsschifffahrt. Zum traditionellen Kunsthandwerk zählen Stickerei-, Töpfer- und Kupferarbeiten.«
    So leben die Zyprer inmitten römischer Amphitheater, byzantinischer Kirchen, Klöster und Kreuzritterburgen vom Tourismus und der Handelsschifffahrt, und wenn sie abends von der Arbeit heimkommen, dann sticken, töpfern und »kupfern« sie ein wenig, um die Außenhandelsbilanz ihres Landes zu verbessern. Kein Wort über Banken oder gar obskure Geschäfte mit russischen Oligarchen, die Zypern vor allem als Geldwaschanlage und Steueroase schätzen. Zwar wird in dem Text erwähnt, dass die Insel 1974 »geteilt« und der Nordteil des Landes von der türkischen Armee »besetzt« worden ist, wenn man aber die Karte der Insel anklickt, sieht man keine Demarkationslinie zwischen dem türkischen Teil im Norden und dem griechischen Teil im Süden, sondern nur die sechs Verwaltungsbezirke der Insel, die offenbar trotz der türkischen Besetzung ihre territoriale Integrität bewahren konnte.
    Das Ganze erinnert ein wenig an die Deutschlandkarten aus der Zeit vor den Ost-Verträgen, auf denen Ostpreußen, Pommern und Schlesien noch deutsche Provinzen waren, die »derzeit unter polnischer« beziehungsweise »russischer Verwaltung« standen.
    Lustig, nicht wahr? David Copperfield kann einen Waggon des Orientexpress wegzaubern, die EU eine Grenze, die von einer UN -Truppe, der United Nations Peacekeeping Force in Cyprus, UNFICYP , bewacht wird. Die EU weiß um die Teilung Zyperns, nimmt sie aber offiziell nicht zur Kenntnis. So wie sie um die Lage Zyperns als Finanzstandort wusste, sie aber nicht zur Kenntnis nahm, bis die Finanzminister der Euro-Zone eines Tages zusammenkamen und beschlossen, der Sache ein Ende zu machen. Worauf alle Sicherungen durchbrannten.
    Zu Beginn der Tagesschau vom 16. März 2013 gab Marc Bator das Ergebnis einer Rettungsaktion bekannt: »Nach monatelangen Verhandlungen« seien »Finanzhilfen für Zypern beschlossen worden«. Konkret: »Die Finanzminister der Euro-Staaten, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfond einigten sich auf Kredite in Höhe von zehn Milliarden Euro. Dafür muss die Regierung Banken strenger regulieren und Steuern für Unternehmen erhöhen. Zum ersten Mal müssen auch die Anleger einen Beitrag leisten. Auf alle Guthaben bei zyprischen Banken wird eine Sondersteuer

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