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Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)

Titel: Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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sind acht Berater und Assistenten damit beschäftigt, Journalisten zu betreuen und die Homepage des Präsidenten, seinen Twitter- und Facebook-Auftritt zu gestalten; schließlich noch zwei Kammerdiener beziehungsweise Zeremonienmeister, je nachdem wie man den Begriff »Usher« übersetzt, der Fahrer des Präsidenten und ein »Clerical Assistant«, was immer das bedeuten mag. Wie gesagt, alles in allem 38 Zu- und Mitarbeiter, die mit dem Chef zwischen Brüssel und Straßburg hin- und herfahren, je nachdem wo das Europaparlament gerade tagt. So ein Aufwand, bei dem Input und Output in einem absurden Verhältnis zueinander stehen, will gut legitimiert sein. Kein Wunder, dass es immer gleich um Auschwitz, Krieg und Frieden und die Zukunft der Menschheit gehen muss.
    Die 38-Personen Entourage des Präsidenten des EU -Parlaments ist nur etwas kleiner als der 44-köpfige Rat der Stadt Würselen, wo Martin Schulz seine politische Karriere begonnen hat. Zu seinem Erbe, das er der Stadt hinterlassen hat, gehört das Spaßbad »Aquana«, dessen Unterhaltskosten schwer auf der Stadtkasse lasten. Der Abenteuerspielplatz Europa ist die logische Fortsetzung des kommunalen Spaßbades. Nur größer, teurer und mit mehr gut bezahlten Planstellen ausgestattet.
    Wie sagt es der Rheinländer? Man muss auch gönnen können.

4. Deswegen macht man es meistens am Wochenende
    Die Ehe, sagt Woody Allen, »ist ein Versuch, zu zweit Probleme zu lösen, die man allein nicht gehabt hätte«. Eine Ehe, sagt der britisch-ungarische Satiriker George Mikes, » ist der originelle Versuch , die Kosten zu halbieren, indem man sie verdoppelt«.
    Beide Sätze treffen auch auf die Europäische Union zu. Seit der Gründung der drei Europäischen Gemeinschaften – der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ( EGKS ), 1951, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( EWG ), 1957, und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom), ebenfalls 1957 – ist »Europa« immer größer geworden. Wie ein Unternehmen, das durch den Ausbau seiner Produktion und Aufkäufe anderer Firmen von Jahr zu Jahr größeren Umsatz macht. Es ist ein im Kapitalismus ganz natürlicher Vorgang. Wer auf dem Markt reüssieren will, der muss wachsen. Und diversifizieren.
    Schauen Sie sich nur einmal das VW -Programm aus dem Jahre 1955 an. Es bestand im Wesentlichen aus drei Modellen: dem Käfer (mit dem ovalen Heckfenster), dem VW Type 14, besser bekannt als Karmann Ghia, und dem Volkswagen Type 2, einem Minibus, den es auch als Kleinlaster gab. Das war’s. Im selben Jahr lief der einmillionste Käfer vom Band.
    Heute betreibt der Wolfsburger Autobauer 100 Produktionsstätten in 27 Ländern: In Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika; über eine halbe Million Beschäftigte produzieren jeden Tag mehr als 37000 Fahrzeuge, die in 153 Ländern angeboten werden. Der Umsatz lag im Jahre 2012 bei 192 Milliarden Euro, das entspricht zwei Drittel des Bundeshaushalts pro Jahr. Zum VW -Konzern gehören zehn quasi selbständige Marken, die zum Teil gegeneinander konkurrieren, darunter Škoda, Seat, Audi, Lamborghini, Bugatti und Bentley. Würde VW nach einem passenden Motto für seine globalen Aktivitäten suchen, käme vermutlich »Einheit in Vielfalt« am ehesten in Frage. Aber der Wahlspruch ist schon vergeben. »In Vielfalt geeint« lautet die Losung der EU .
    Und damit hören die Ähnlichkeiten zwischen VW und der EU auch schon auf. Volkswagen ist ein Unternehmen, das nach den Regeln der Marktwirtschaft funktioniert, die EU ist eine Idee, die sich selbständig gemacht hat. Auf dem Weg von der Montanunion über die EWG und die EG zur Europäischen Union, von einer überschaubaren Sechser-Runde zu einem Runden Tisch mit inzwischen 28 Teilnehmern, die in 24 Sprachen kommunizieren, von den Römischen Verträgen über »Maastricht«, dem Vertrag über die Europäische Union, bis nach »Lissabon«, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der aus einer Präambel und 358 Artikeln besteht, in denen alles festgelegt und geregelt wird, was ein Jurist vorwegzunehmen in der Lage ist, ist ein bürokratisches Monster entstanden, das sich am Unmöglichen abarbeitet.
    Einerseits will es verbindliche Regeln für alle Beteiligten festlegen, andererseits individuelle Interessen berücksichtigen. Die Quadratur des Kreises wäre dagegen eine Übung für das KiKA-Programm.
    Es gibt Sonderregelungen für die überseeischen Hoheitsgebiete der Mitgliedsstaaten; einige sind

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