Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
wobei die Verfassung dieses Schattenstaats in Zwischenregierungsverträgen verankert ist«. Dieser Schattenstaat habe eine Regierung, den Europäischen Rat, eine Exekutive, die Eurogruppe, und eine mobile Einsatzgruppe, die Taskforce, auch Troika genannt. Auffällig an dieser Überlegung ist, dass in ihr weder die Kommission noch das EU -Parlament eine Rolle spielen, was darauf hindeutet, dass innerhalb des »Schattenstaates« Regeln gelten, die man nur mit der Straßenverkehrsordnung im Hades vergleichen kann.
Sogar unserem Europafreund Martin Schulz, droht der Dauer-Optimismus langsam auszugehen. Ein Ende des Euro oder gar der EU würde katastrophale Folgen nach sich ziehen: »Der europäische Binnenmarkt könnte zerfallen, die Arbeitslosigkeit weiter steigen, Europas Staaten wären den USA oder Schwellenländern wie China hoffnungslos unterlegen, während von innen ein neuer Rechtspopulismus droht«, heißt es im Klappentext seines Europabuches »Der gefesselte Riese«.
Schulz räumt ein, dass »ein Teil der selbsternannten europäischen Elite versagt hat«, wobei er »Spekulanten« nennt, »die der Gier verfallen sind«, Banken und Unternehmen, denen es nicht um »langfristiges und nachhaltiges Wachstum geht, sondern um den schnellen und exorbitanten Gewinn«, aber auch »Politiker, die vor allem auf den nächsten Wahltermin schielen und sich nicht um die Tragweite ihres Handelns kümmern« – also alle außer Martin Schulz. Würde er sich selbst einbeziehen, hätte er Recht. Er müsste nur noch eingestehen, dass es Politiker wie er waren und sind, die mit ihren unbezahlbaren Visionen die Finanzmärkte zu ihrer Casino-Politik erst eingeladen haben. Und jetzt schauen sie zu, wie die EZB immer billigeres Geld zur Verfügung stellt, dass es einem ganz schwindlig wird vor lauter Nullen.
Die eigentlichen Schuldigen an einem drohenden Zerfall Europas aber sind für Schulz »diejenigen, die es besser wissen müssten«, die »schlecht und unwahr über die EU sprechen«. Er nennt das ein »Blame game«, das »Schuld-Spiel«. Und diejenigen, die sich daran beteiligen, haben nur ein Ziel: »Europa zu diffamieren, seine Institutionen lächerlich zu machen und seine Repräsentanten als Deppen darzustellen, um die nationalen Politiker möglichst gut aussehen zu lassen.« Es liegt, mal wieder, nicht an den schlechten Nachrichten, sondern an dem Boten, der sie überbringt. Woran erinnert uns das? Richtig! An die »Nörgler, Querulanten und Kritikaster«, die aus Spaß an der Freud gute Ideen schlechtreden. An die Dolchstoßlegende, mit der die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg erklärt wurde. An die »heimatlosen Gesellen«, die keine andere Loyalität kennen als die zu sich selbst. An die »zersetzenden Elemente«, die im Dritten Reich das Wohl des Volkes gefährdeten, an die »subversiven Elemente« und die »feindlich-negativen Kräfte«, die in der DDR der vollen Entfaltung des Sozialismus im Wege standen. An den »Klassenfeind«, der für alles, das in der Sowjetunion schiefging, verantwortlich war. An die »Pinscher, Uhus und Banausen«, die zur Zeit von Ludwig Erhard ihr Unwesen trieben, an die »Ratten und Schmeißfliegen«, die Franz Josef Strauß überallhin verfolgten, an die »Heuschrecken«, wie Franz Müntefering Investoren betitelte, die »keinen Gedanken an die Menschen (verschwenden), deren Arbeitsplätze sie vernichten«. – So betrachtet, setzt Schulz mit seinem »Blame game« eine alte Tradition fort.
Kein Wunder, dass Europakritiker und Europaskeptiker wie der ehemalige tschechische Präsident Václav Klaus, der deutsche EU -Abgeordnete Holger Krahmer und der britische Europapolitiker Daniel Hannan inzwischen »Dissidenten« genannt werden. Als Nächstes wird man sie der Ketzerei anklagen. Dann wissen wir, was die Stunde geschlagen hat. Es werden keine Scheiterhaufen errichtet werden, denn das wäre ökologisch nicht vertretbar. Aber man könnte die Ketzer im Lichte von Energiesparlampen an einen Pranger stellen und sie so lange mit Bio-Äpfeln aus regionalem Anbau bewerfen, bis sie ihre Sünden gestehen und auf allen vieren nach Brüssel kriechen.
13. Gelegenheit macht Diebe
Eines der Argumente, das für die »Ausweitung« und »Vertiefung« der EU -Zone immer wieder ins Feld geführt wird, lautet: Mit dem Verzicht auf einen Teil der nationalen Souveränität beziehungsweise der Übertragung derselben auf eine übernationale Institution nehme die Gefahr von nationalstaatlichen Abenteuern und
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