Die letzten Tage Europas: Wie wir eine gute Idee versenken (German Edition)
besonderem Charme:
In den USA findet derzeit eine großangelegte Langzeituntersuchung statt, die klären soll, ob es einen Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und sexueller Orientierung gibt, konkret: Warum drei von vier Lesben schwer übergewichtig, also »obese«, sind. Die Studie wird vom National Institute of Health finanziert, kostet insgesamt etwa 1,5 Millionen Dollar und soll 2016 abgeschlossen sein.
Auf so eine Idee können nur Wissenschaftler kommen, die keinen Blick für das Offensichtliche haben. Schon möglich, dass drei von vier Lesben »obese« sind, aber das kommt nicht daher, dass Lesben von Natur aus zur Fettleibigkeit neigen, sondern daher, dass fettleibige Frauen sich für eine lesbische Lebensweise entscheiden, weil die meisten Männer normalgewichtige Frauen attraktiver finden als solche, die 100 Kilo und mehr auf die Waage bringen.
Nur: Eine solche Erkenntnis ist alles andere als »politisch korrekt«, mit ihr kann man keine Forschungsmittel abgreifen, man kann damit nicht einmal RTL -Zuschauer beeindrucken, die ihr Weltbild aus der Serie »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« beziehen. Und je »komplexer« die Umstände, desto größer die Versuchung, alle Regeln der Logik über Bord zu werfen, damit die Mannschaft nicht rebelliert. Zu Beginn der Zypernkrise und unmittelbar nach dem Beschluss der Finanzminister der Euro-Zone, die Inhaber von Konten bei zyprischen Banken an der Rettungsaktion »zu beteiligen«, das heißt, sie teilweise zu enteignen, wurde der deutsche Finanzminister in der 20-Uhr-Tagesschau vom 16. März mit der Frage des Tages konfrontiert:
»Sparer um einen Teil ihres Geldes zu bringen – eine bisher einmalige Maßnahme in der Krise –, wird das das Vertrauen in die Euro-Zone kosten?«
Schäuble antwortete:
»Nein, ganz im Gegenteil, ich glaube, dass so wie wir es auch … in den letzten zwei Jahren gesehen haben, die Tatsache, dass Europa in der Lage ist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, auch in einer geordneten Weise, das wird das Vertrauen dauerhaft stärken.«
Hätte Schäuble gesagt, der GAU von Fukushima habe das Vertrauen in die Atomkraft dauerhaft gestärkt, wäre die halbe Republik vor Entsetzen verstummt und die andere Hälfte hätte den sofortigen Rücktritt des Ministers gefordert. Wenn es aber um Geld geht, hört der Spaß nicht auf, nein, er fängt erst richtig an. Während sich auf Zypern lange Schlangen vor den Bankomaten bildeten, erklärte die Kanzlerin am Rande der Landesvertreterversammlung der CDU in Grimmen, Mecklenburg-Vorpommern, man sei auf dem richtigen Kurs und auch der Patient auf dem Wege der Besserung. »Damit werden aber die Verantwortlichen zum Teil mit einbezogen und nicht nur die Steuerzahler anderer Länder. Und ich finde, das ist richtig, dass man diesen Schritt gegangen ist. Und ich finde, es ist ein guter Schritt, der uns eine Zustimmung zu einer Hilfe für Zypern sicherlich leichter macht.«
Das war natürlich reines Wunschdenken. Sowohl Merkel wie Schäuble wussten, dass sie eine Mülltüte zu einer Designer-Handtasche umdichteten. Nur 24 Stunden später sah die Situation schon ganz anders aus. Die Euro-Finanzminister hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht, das zyprische Parlament verweigerte die Zustimmung zu dem »Rettungsplan«.
Und langsam dämmerte es auch dem deutschen Sparer, dass seine Einlagen nur so lange sicher sind, wie die Euro-Finanzminister es sich nicht anders überlegen und beschließen, ihn an einer Bankenrettung zu »beteiligen«. Da trat der deutsche Finanzminister die Flucht nach vorn an. Auf die Frage: »Sind die Spareinlagen in allen anderen Euro-Staaten sicher?« gab er in einem Interview mit der »Welt am Sonntag« vom 24. März die folgende Antwort:
»Die Spareinlagen sind in Deutschland und in allen europäischen Ländern sicher, weil die Vorstellung, dass irgendein europäisches Land zahlungsunfähig wird, unrealistisch ist. In Deutschland gibt es die Sicherungssysteme der Banken für den nirgendwo erkennbaren Fall, dass eine Bank ins Straucheln gerät, und in dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass diese Sicherungssysteme Probleme hätten, würde der Bundeshaushalt einspringen.«
Bingo! Es ist noch kein Land zahlungsunfähig geworden, nicht einmal Griechenland, weil die Zahlungsfähigkeit mit Milliardenkrediten aus EU -Kassen garantiert wurde, ohne die das Land unweigerlich in die Pleite gerutscht wäre. Es ist noch keine Bank »ins Straucheln geraten«, nicht einmal die Hypo Real
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