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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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kantonesischen Ausdrücken entsprachen, eines davon war »Polizist«.
    Der alte Mann streckte Jenny seine schwielige Hand hin und grinste sie mit seinen gelben Zähnen an wie ein Hai. Dann sagte er etwas auf Mandarin. Jenny schüttelte seine Hand. Er wandte sich Chan zu. Chan nahm die Hand und drückte sie, statt sie zu schütteln.
    Ganz leise sagte er auf Kantonesisch: »Sie haben meine Mutter umgebracht.«
    »Was hat er gesagt?«
    Emily blinzelte. »Er hat gesagt ›Erfreut, Sie kennenzulernen.‹«
    Ihr Mandarin war perfekt.
    Auf dem Weg zum Boot spürte Chan, daß Emily ihn anstarrte, während sie sich mit Mr. Xian unterhielt. Er verstand das Mandarin-Wort für »Dollars«. Sie verwendete es ziemlich oft. Der alte Mann reagierte meist mit einem hohen Lachen und einer abrupten Kopfbewegung, fast wie ein wieherndes Pferd. Offenbar gefiel Mr. Xian das, was Emily sagte. Chan bemerkte den Schanghai-Akzent des alten Mannes; er sprach alle X-Laute mit der Mitte der Zunge aus. Auf den Holzbohlen spürte Chan den schweren Schritt der Leibwächter, die ihnen im Abstand von etwa drei Metern folgten.
    »Du hast den Mund wieder nicht halten können«, sagte Jenny.
    »Stimmt«, sagte Chan.
    Sie schüttelte den Kopf. »Du wirst dich nie ändern. Du hast einfach kein Hirn.« Doch sie sagte das sanft, und ihre Augen glänzten dabei.
    Jenny wandte sich Emily zu. »Hat Jonathan dich angerufen?«
    Emily wechselte von Mandarin zu Englisch. »Er kommt ungefähr zwanzig Minuten zu spät. Ein Klient.«
    »Kommt sonst noch jemand?«
    »Ich habe Milton Cuthbert, den Politischen Berater, eingeladen. Kennst du ihn?«
    »Nein«, sagte Jenny.
    »Flüchtig«, sagte Chan.
    »Ach«, sagte Emily.
    Chan versuchte, seine Nerven mit einer Zigarette zu beruhigen, das Herzklopfen und den kalten Schweiß zu bekämpfen. Er wußte, daß er eigentlich so tun sollte, als wäre er krank, und verschwinden, solange er nicht wußte, was für eine Falle das hier war. Aber da war noch Jenny. Was hatte sie vor?

DREIUNDDREISSIG
    Chan sonderte sich so bald wie möglich von den anderen Gästen im Salon ab und gesellte sich zu Kapitän und Maat auf der Brücke. Auf der Kapitänsmütze stand in Goldlettern Emily. Steuerbord wartete der erste Maat, ganz in Weiß gekleidet, den Schriftzug Emily auf der Hemdtasche. Draußen auf dem Deck machte sich ein Schiffsjunge mit weißen Shorts und T-Shirt zu schaffen, auf dessen Rücken ebenfalls der Name des Schiffes prangte.
    Auf ein Signal des Kapitäns hin ließ der Schiffsjunge die beiden Ankerleinen am Bug los und rannte nach hinten, um die beiden anderen ebenfalls zu lösen. Dann sprang er von der Schwimminsel am Heck wieder an Bord. Hinter dem Schiff wimmelte es von kleineren Booten, die von dem Yachthafen hinaus auf die See fuhren. Der Kapitän der Emily drückte dreimal auf die Schiffssirene, und die kleineren Boote brachten sich vor der großen Schiffsschraube in Sicherheit.
    Als die Emily sich von ihrem Ankerplatz gelöst hatte, drehte sie sich einmal langsam um die eigene Achse wie ein weißer Schwan, umgeben von seinen Jungen. Als Chan den Blick hob, sah er, daß die Leute auf der Clubterrasse an die Brüstung getreten waren und ihnen nachschauten.
    »Ist eine ganz schöne Sensation für die Leute, was?«
    Chan hatte nicht gehört, daß Cuthbert sich von hinten genähert hatte. Cuthbert bot ihm eine türkische Zigarette aus einem alten Silberetui an. Er trug beigefarbene Shorts mit scharfer Bügelfalte, ein blaues Designer-Segelhemd mit einem Anker auf der Brusttasche, weiße Socken und blaue Bootsschuhe aus Leder. Chan nahm die Zigarette an. »Das macht nur das Geld.«
    Cuthbert lächelte. »Ich fürchte, ich habe mich noch nicht richtig entschuldigt. Wir waren alle ziemlich durcheinander. Strahlenerkrankungen machen uns allen angst. Tja, und ein oder zwei Leute haben wohl auch nach einem Sündenbock gesucht. Außerdem wollte ich mich bei Ihnen bedanken. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel umgänglicher Jack Forte geworden ist, seit Sie ihm die Nase gebrochen haben.«
    »Sie haben gewußt, daß ich an Bord sein würde? Haben Sie das arrangiert?«
    Cuthbert betrachtete den Rauch, der sich von seiner Zigarette in die Luft schlängelte. Waren das Rauchsignale? fragte sich Chan.
    »Nicht ganz. Jedenfalls nicht so, wie Sie sich das vorstellen. Ich kenne Emily sehr gut, und sie lädt mich immer fürs Wochenende ein. Ich habe letzte Woche mit ihr zu Mittag gegessen, und da hat sie Ihren Namen erwähnt.

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