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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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gefunden. Hier war alles blitzblank.«
    »Wem gehört der Raum hier?«
    »Einem kleinen Familienunternehmen. Die Leute haben ein chinesisches Restaurant in Albuquerque, New Mexico. Die sind alle seit über einem Jahr in New Mexico und warten auf die Einbürgerung.«
    »Irgendwelche Mieter?«
    »Im Moment nicht.«
    »Und die anderen Stockwerke?«
    »Die haben wir alle überprüft.«
    Chan stellte die Trittleiter wieder an die Wand am anderen Ende des Raums und kehrte zu Riley und Aston zurück, die den Boden anstarrten. Er packte Riley am Arm.
    »Es funktioniert folgendermaßen: Wir sperren das Lagerhaus ab. Wir stellen sicher, daß es nur einen Zugang zum Tatort gibt. Wir weisen einen Beamten an, den Tatort zu bewachen und alle Personen zu notieren, die kommen und gehen. Wir machen Fotos und Videoaufnahmen von dem ganzen Raum. Wir teilen das Gebiet in Zonen ein und durchsuchen jede Zone. Wir überprüfen Türen und Fenster. Bevor wir das Gebiet wieder verlassen, erstellen wir eine Liste aller Nummernschilder und Fahrzeuge dort; wir lassen uns die Namen aller Geschäfte und Leute geben, die hier in der Gegend arbeiten, und wir befragen alle aus dem Viertel.«
    »Sie sind sehr gründlich gewesen.«
    »Reine Routine.«
    »Und was haben Sie bis jetzt herausgefunden?«
    »Nichts. Abgesehen von den Köpfen, die im Meer entdeckt wurden – von einem Touristen.«
    »Haben Sie irgendwelche Theorien?«
    »Der Mord hat an einem anderen Ort stattgefunden. Auf Hong Kong Island oder jenseits der Grenze – wer weiß? Mit einer Hebevorrichtung und einem Kühlwagen kann der Bottich Tausende von Kilometern transportiert worden sein.«
    Chan und Aston sahen Riley zu, wie er mit hallenden Schritten zu der Wand am anderen Ende des Raumes ging. Es sah aus, als schreite er vom Nichts ins Nichts. Als er die Wand erreicht hatte, konnte er nichts anderes tun, als wieder zurückkommen.
    »Verstehe«, sagte Riley.
    Beim Hinausgehen warf Chan noch einen Blick auf die flackernde Lampe und schüttelte den Kopf. Normalerweise hätte er auch die Lampen überprüft, aber der Gestank aus dem Bottich hatte alle dazu verführt, die üblichen Prozeduren abzukürzen.
     
    Nachdem Chan sich das Gehirn zermartert hatte, ging er am Vormittag kurz nach Hause und legte die Akte auf den Beistelltisch. Er war froh, daß Moira nicht da war. Er hatte ihr angeboten, noch eine weitere Nacht zu bleiben – warum auch nicht? Schließlich war er sowieso kaum zu Hause. Er hatte ihr den Zweitschlüssel gegeben. Sie hatte die Wohnung am Morgen geputzt und einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, sie mache einen langen Spaziergang.
    Nachdem er sich von Riley verabschiedet hatte, war er zu Dr. Lam gegangen. Es gab keinen Zweifel: Clare war Polly, Polly war Clare. Chan wußte, daß ein mutiger Mann sich neben Moira setzen, den Arm um sie legen, ihr alles sagen und ihr einen Teil ihres Schmerzes abnehmen würde.
    Er legte die Akte auf den Beistelltisch und stellte eine große Flasche Scotch daneben, dann ging er.

VIERZEHN
    In der Identifizierungsstelle in der Arsenal Street gelang es Chan ohne große Mühe, Raymond Tsim, einen der Techniker, zu überreden, daß er auf seine Mittagspause verzichtete. Das war ein chinesischer Handel: Chan würde Tsim seine Nudeln holen und bezahlen und zwei zu eins gegen Tsims Wette halten, daß das Plastiksäckchen nichts mit den Morden zu tun hatte.
    Chan wußte, wo er trotz der Mittagszeit Tsims Nudeln in weniger als fünf Minuten kaufen und in einem Styroporbehälter aufs Revier bringen konnte. Doch Tsim war wählerisch, was Nudeln anbelangte. Entweder sie kamen von Mimi, oder der Handel wurde abgeblasen.
    Chan konnte ihm das nicht verübeln. Seit Marco Polo damals vor achthundert Jahren das Rezept für Pasta mitgebracht hatte, hatte der Westen das Original immer mehr verfälscht. Chan bezweifelte, daß Marco Polo das geschmacklose Schlabberzeug, das heutzutage als Spaghetti, Lasagne oder ähnliches in den Takeaways von Anchorage bis Feuerland, von Wien bis Brest verkauft wurde, noch als Nudeln erkennen würde. Viel hätte das nicht ausgemacht, wenn nicht gerade in fast allen Hongkonger Restaurants die westliche Version angeboten worden wäre. In letzter Zeit hatten die Restaurantinhaber sogar noch den Glutamatanteil verringert, angeblich, weil das gesünder war. Würden die Briten ihre Chips denn ohne Salz essen?
    Mimi jedoch war ein Restaurant, das die Kantonesen achteten. Die Kellner machten sich keine Notizen, behielten aber alle

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