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Die letzten Tage von Hongkong

Die letzten Tage von Hongkong

Titel: Die letzten Tage von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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mir überhaupt nicht ab.« Das lag daran, daß sein Gefühlsleben, wie das aller Chinesen, verkümmert war. Das hatte sie ihm ganz ausführlich erklärt, bevor sie ihn verlassen hatte. Wahrscheinlich wäre sie erstaunt gewesen zu hören, daß eine wildfremde Frau ihn nett fand.

DREIZEHN
    An seinem Schreibtisch im Polizeirevier von Mongkok spielte Chan mit einem schwarzen Dienstkugelschreiber. Bis jetzt hatte er noch niemandem etwas von der Amerikanerin und den zahnmedizinischen Unterlagen erzählt; nur Lam hatte er ins Vertrauen gezogen. Neunzig Prozent der Ermittlungen bestanden aus Warten. Auch Moira Coletti wartete, in seiner Wohnung. Auf der anderen Seite des Büros saß Aston an seinem Schreibtisch und wartete ebenfalls.
    Es klopfte. Chan sah Aston an. In Mongkok klopfte niemand.
    »Darf ich reinkommen?«
    Rileys Gesicht war ganz ohne besondere Merkmale, wie aus der Beschreibung eines kurzsichtigen Zeugen. Er war groß und schlank, ein wenig gebeugt, und seine Hände schlackerten in den Gelenken.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte Aston.
    »Morgen, Dick.« Riley rieb sich die Hände. »Morgen, Charlie. Nei ho ma? «
    »Gut, und wie geht’s Ihnen?« Chan tat, was er konnte, um den Chief Superintendent von seinen Ausflügen ins Kantonesische abzubringen.
    » Ho ho. «
    »Was?«
    » Ho ho. «
    Chan sah Aston an.
    »Das ist Kantonesisch«, erklärte Aston, »und heißt ›gut‹.«
    »Ach so – ho ho. Mir geht’s auch ho ho. Dick – ho ho? «
    Aston vertiefte sich in The Murder Investigator’s Bible.
    »Ich bin zufällig vorbeigekommen«, sagte Riley. »Da habe ich mir gedacht, ich schaue kurz rein.«
    Chan wartete ab. Es war wichtig herauszufinden, mit welchem Riley man es zu tun hatte.
    »Ich habe gehört, Sie haben ein bißchen Probleme mit den Ermittlungen. Vielleicht würde ja ein kurzes Brainstorming helfen?«
    Chan nickte beherrscht. »Ja.«
    Riley stand mitten im Raum. Chan starrte ihn an. Er war nicht von Natur aus sadistisch, nein, aber die Selbstzweifel waren der einzige Teil von Rileys Persönlichkeit, mit dem er etwas anfangen konnte. Und die Versuchung, diese Selbstzweifel hervorzulocken, war normalerweise unwiderstehlich.
    »Wissen Sie, wofür ›DNA‹ steht?« fragte Chan lächelnd.
    »Desoxyribonukleinsäure.« Riley lächelte zurück.
    Chan biß sich auf die Lippe; man sollte einen Engländer bei Fragespielchen nie unterschätzen. »Wir haben schon die Ergebnisse der PCR.«
    »Gut.«
    »Die Köpfe passen zu den Körpern in dem Bottich.«
    Rileys Gesicht hellte sich auf. »Hat die PCR das ergeben? Wundervoll! Dann ist der Fall ja so gut wie gelöst.«
    »Nicht ganz. Wir haben bis jetzt nur die drei Körper zu den drei Köpfen gefunden. Das heißt, daß ihre Seele in Frieden ruhen kann. Doch die zerhäckselten und unzerhäckselten Teile sind gleichermaßen anonym. Gesichtslos, könnte man sagen.« Chan wartete einen Augenblick, für den Fall, daß Riley beschloß, mit einem anderen Teil seiner Persönlichkeit zu reagieren. »Wissen Sie, die DNA verrät uns nicht ihre Namen.«
    Riley blinzelte. »Tja, das stimmt wohl.« Er rang die Hände.
    »Was ist mit den Fingerabdrücken?«
    Chan sah zu Aston hinüber, der, wohl aus Mitgefühl, rot geworden war, und wandte sich dann wieder Riley zu. Er hielt beide Hände in die Luft. »Keine Finger, keine Abdrücke.«
    Jetzt strahlte Riley nicht mehr. »Ja, richtig.« Wieder rang er die Hände. Schweiß trat ihm auf die Stirn. »Aber Sie machen Fortschritte. Nur das zählt.« Er rutschte auf seinem Stuhl herum bei dem Versuch, Chans Blick auszuweichen. »Triaden.«
    Aston legte das Buch auf den Tisch.
    Chan sah, wie die beiden gweilos einen Blick wechselten, und erinnerte sich an den Spruch: Wenn drei Chinesen zusammenkommen, gibt’s zwei Verschwörungen; zwei Angelsachsen in einem Raum, und schon haben wir einen geheimen Klub.
    »Wußten Sie schon, daß Sun Yat Sen eine Nummer 489 war?« fragte Aston. Chan merkte, wie wichtig es ihm war, den Chief Superintendent aus seiner Unbehaglichkeit zu befreien. In den meisten Engländern steckte ein Sozialarbeiter.
    »Ich werde mir jetzt ein paar Zigaretten kaufen«, sagte Chan.
    »Und dann werde ich zum Tatort gehen.« Er wandte sich Riley zu.
    »Warum treffen wir uns nicht dort?«
     
    Chan hätte wetten mögen, daß der Tatort der einzige menschenleere Ort in ganz Mongkok war. Das Gebäude war ungefähr acht Jahre alt: zehn Stockwerke aus Stahlbeton von fast vierzig Meter Höhe. Für seine Besitzer war es eine

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