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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Schwanze. Aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch haben wir die gemeine Vorstellung von der äußern Gestalt des bösen Feindes, dem geheimnisvollen Pan, dem Bewohner einsamer Stätten, der die Seele mit gewaltigen, nicht zu bezeichnenden Schrecken heimsucht, entnommen; seine Gestalt wenigstens stimmt genau mit dem pferdefüßigen Satan überein. Auch mochten die Christen in dem unzüchtigen und lasterhaften Dienst des Pans eine Spur der Täuschung des Teufels zu erblicken glauben. ]
    Apäcides hatte den christlichen Glauben noch nicht förmlich angenommen, stund aber bereits im Begriffe es zu thun. Schon theilte er die Ansichten Olinths – schon glaubte er, die lebhaften Vorstellungen der Heiden seien die Einflüsterungen des Erzfeindes des Menschengeschlechtes. Die unschuldige und natürliche Antwort Ione's machte ihn schaudern. Er beeilte sich heftig und zugleich so verwirrt zu antworten, daß Ione mehr für seinen Verstand fürchtete, als vor seiner Heftigkeit erschrak.
    »Ach, mein Bruder,« sagte sie, »die strengen Pflichten Deines Amtes haben Deine Urtheilskraft verwirrt. Komm zu mir, mein Bruder, Apäcides, mein geliebter Bruder; gib mir Deine Hand, laß mich den Schweiß von Deiner Stirne trocknen, zanke mich jetzt nicht, ich verstehe Dich nicht; glaube nur, daß Ione nie die Absicht haben konnte, Dich zu beleidigen.«
    »Ione,« sagte Apäcides, sie zu sich hinziehend und zärtlich anblickend, »soll ich glauben, daß diese schöne Gestalt, dieses liebevolle Herz zu einer Ewigkeit von Qualen bestimmt sei?«
    » Dii meliora! das mögen die Götter verhüten,« sprach Ione in der gewöhnlichen Redeform, mit der ihre Zeitgenossen ein böses Vorzeichen abwenden zu können glaubten.
    Die Worte, und noch mehr der in ihnen liegende Aberglaube verwundeten das Ohr des Apäcides. Vor sich hinsprechend stand er auf, that einige Schritte um sich aus dem Zimmer zu entfernen, blieb sodann auf halbem Wege stehen, blickte Ione ausdrucksvoll an und breitete seine Arme aus.
    Ione stürzte sich freudig in dieselben; er küßte sie inbrünstig und sagte: »Lebe wohl, meine Schwester; wenn wir uns wiedersehen, bist Du mir vielleicht nichts mehr, nimm also noch diese Umarmung, voll von all den zärtlichen Erinnerungen der Kindheit, als Glaube und Hoffnung, Religion und Gebräuche, Ziel und Interessen für uns Beide dieselben waren. Jetzt wird dieses Band gebrochen werden.«
    Mit diesen sonderbaren Worten verließ er das Haus.
    Hierin lag in der That die große und strengste Prüfung für die Christen, daß ihre Bekehrung die theuersten Bande ihres Herzens löste. Sie konnten keine Gemeinschaft mehr haben mit Wesen, deren einfachste Handlungen und gewöhnlichste Redensarten das Gepräge der Abgötterei an sich trugen. Sie schauderten über die Segnungen der Liebe; für ihr Ohr wurden sie im Namen eines Dämons ausgesprochen. Dies ihr Unglück jedoch machte sie zugleich auch stark; wenn es sie von der übrigen Welt trennte, so vereinigte es sie in demselben Maaße unter sich selbst. Männer von Eisen waren es, die das Wort Gottes verbreiteten, und fürwahr, der Reif, der sie umschlang, war auch von Eisen!
    Glaukus fand Ione in Thränen; bereits hatte er sich das süße Vorrecht sie zu trösten angeeignet. Er brachte aus ihr einen Bericht über ihre Unterredung mit ihrem Bruder heraus; aber bei ihrer verwirrten Wiederholung einer Sprache, die schon an und für sich einem nicht darauf Vorbereiteten unklar war, vermochte er ebenso wenig als Ione die Absicht oder die Meinung des Apäcides zu errathen.
    »Hast Du je,« fragte sie, »etwas Weiteres über diese neue Sekte der Nazarener gehört, von welcher mein Bruder sprach?«
    »Oft genug schon habe ich von ihnen reden gehört,« antwortete Glaukus, »aber von ihren eigentlichen Glaubenssätzen weiß ich nichts, außer daß in ihrer Lehre etwas übernatürlich Kaltes und Mürrisches zu liegen scheint. Sie leben abgesondert von den übrigen Menschen; stellen sich, als ob ihnen sogar unser einfach Gebetbuch von Kränzen ein Ärgernis wäre; haben kein Gefühl für die Zerstreuungen des Lebens; stoßen schreckliche Drohungen aus über den bevorstehenden Untergang der Welt, und scheinen mit einem Worte ihren düstern, freudeleeren Glauben aus der Höhle des Trophonius herbeigebracht zu haben. Übrigens,« fuhr Glaukus nach einer kleinen Pause fort, »fehlt es ihnen nicht an Männern von großem und gewaltigem Geist, und selbst unter den Aeropagiten von Athen zählen sie ihre Anhänger.

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