Die letzten Tage von Pompeji
Stunde von Diomeds Gastmahl nahe sei. Endlich erwachte sie aus ihrer Träumerei und kleidete sich, nicht mit dem Stolz der Schönheit, sondern gleichgültig und wehmüthig zu dem Feste an. Nur ein Gedanke versöhnte sie mit dem versprochenen Besuch: sie sollte Glaukus treffen – ihm konnte sie ihre Unruhe und Bangigkeit um ihren Bruder mittheilen.
Liebe! Eine Segnung ist es, die vor allen andern deine keuschen und heiligen Verbindungen von den sündhaften und unerlaubten, den Eros von dem Anteros unterscheidet; – nur Denen, die wir ohne Verbrechen lieben, theilen wir alle unsere geheimen, häuslichen Sorgen mit. Für die Unreinen ist Liebe nur eine Leidenschaft; es gibt da nur eine Gebieterin und einen Liebhaber; für die Reinen aber schließt dieses Band die Zärtlichkeit, die Heftigkeit und die Treue aller andern Verhältnisse in sich! Nicht in dem Mund der Helena, sondern in den der Andromache legte Homer jene rührenden, in der Empfindung von er frühesten bis zur spätesten Zeit so wahren Worte:
Während Du Hektor mich liebst, erblicket mein liebendes Auge
Vater und Mutter nicht nur, Bruder und Alles in Dir.
Drittes Kapitel.
Eine vornehme Gesellschaft und ein Diner à la mode in Pompeji.
Unterdessen schlenderten Sallust und Glaukus langsam dem Hause Diomeds zu. Trotz seiner Lebensweise besaß Sallust manche achtbare Eigenschaften. Er wäre ein thätiger Freund, ein nützlicher Bürger, mit einem Worte, ein herrlicher Mensch gewesen, wenn er sichs nicht in den Kopf gesetzt hätte, ein Philosoph zu sein. Auferzogen in den Schulen, wo römischer Plagiarismus das Echo griechischer Weisheit anbetete, hatte er die Lehren eingesogen, durch welche die spätern Epikuräer die einfachen Grundsätze ihres großen Meisters entstellten. Er widmete sich gänzlich den Vergnügungen und bildete sich ein, nur in einer munteren Haut stecke die wahre Weisheit. Übrigens besaß er ein beträchtliches Maß von Kenntnissen, Verstand und guter Laune und die ungeschminkte Aufrichtigkeit seiner Laster erschien neben der gänzlichen Verdorbenheit eines Klodius und der feigen Weiblichkeit des Lepidus fast als Tugend. Aus diesem Grunde schätzte ihn Glaukus unter allen seinen Gefährten am meisten, und Sallust seinerseits liebte in Anerkennung der edleren Eigenschaften des Atheners diesen fast ebenso sehr wie eine kalte Muräne oder einen Becher des besten Falerners.
»Ein gemeiner alter Kerl, dieser Diomed,« sagte Sallust, »aber er hat einige gute Eigenschaften – in seinem Keller.«
»Und einige reizende – in seiner Tochter.«
»Gewiß, Glaukus – aber wie mir scheint, wirst Du von letzteren nicht besonders gerührt. Ich glaube, Klodius möchte gerne Dein Nachfolger werden.«
»Er ist willkommen – bei dem Feste der Schönheit wird sicherlich kein Gast als Musca betrachtet.« [Fußnote: Unwillkommene oder ungeladene Gäste wurden muscae oder Fliegen genannt. ]
»Du bist streng – aber sie hat allerdings etwas Korinthisches an sich und so werden sie wohl am Besten zu einander passen! Welch gutmüthige Geschöpfe übrigens sind wir, daß wir mit diesem Taugenichts von Spieler umgehen!«
»Das Vergnügen,« antwortete Glaukus, »vereinigt seltsame Spielarten. Er macht mir Spaß –«
»Und schmeichelt – macht sich aber auch gut bezahlt dafür – er bestreut sein Lob mit Goldstaub.«
»Du gibst mir also zu verstehen, daß er falsch spiele – glaubst Du das in der That?«
»Mein lieber Glaukus – ein römischer Edler hat seine Würde zu behaupten – Würde ist etwas sehr Kostbares – Klodius muß betrügen wie ein Spitzbube, um zu leben wie ein Mann von Stand.«
»Aha – nun, seit kurzem habe ich den Würfeln entsagt. Ach, Sallust, wenn ich einmal mit Ione vermählt bin, hoffe ich eine Jugend voll Thorheiten wieder gut machen zu können. Wir Beide sind für etwas Besseres geboren, als das Treiben, worin wir jetzt übereinstimmen – für edlere Tempel als den Stall des Epikur.«
»Ach,« erwiderte Sallust, in fast wehmütigem Tone, »was wissen wir denn weiter? Das Leben ist kurz – jenseits des Grabes ist alles Nacht und Dunkel. Es gibt keine bessere Weisheit, als die, welche sagt: Genieße!«
»Beim Bacchus! Bisweilen zweifle ich, ob wir das Höchste genießen, das das Leben zu bieten vermag.«
»Ich bin ein mäßiger Mann,« erwiderte Sallust; »wir sind wie Missethäter und betäuben uns, während wir am Rand des Todes stehen, mit Wein und Myrrhen; wenn wir es aber nicht thäten, so würde der
Weitere Kostenlose Bücher