Die letzten Tage von Pompeji
gegenüber aufgestellt war, sich plötzlich und wie durch Zauberei in der Mitte zu öffnen, und warf einen duftenden Staubregen, der die Tafel und die Gäste besprengte. Als dieser nachließ, wurde der Vorhang über ihnen weggezogen, und die Gäste erblickten ein Seil quer unter der Zimmerdecke ausgespannt, und einer jener schnellfüßigen Tänzer, wegen deren Pompeji so berühmt war und deren Nachkommen den Festlichkeiten bei Astley oder Vauxhall einen so bezaubernden Reiz beifügen, führte nun seinen lustigen Regen gerade über den Köpfen der Gäste aus.
Eine solche Erscheinung, die nur durch ein Seil von den Schädeln der Anwesenden getrennt, die heftigsten Sprünge macht, anscheinend in der Absicht, auf jene Cerebralregion herabzusteigen, würde wahrscheinlich von einer Gesellschaft in May-Fair mit einigem Schrecken betrachtet werden; unsere pompejanischen Bonvivants aber schienen das Schauspiel mit freudigere Neugier zu betrachten und klatschten in dem Verhältnis, in welchem der Tänzer mit der höchsten Schwierigkeit dem Sturz auf den Kopf des jeweiligen Gastes, über dem er tanzte, zu entgehen schien. Er erwies in der That dem Senator die besondere Aufmerksamkeit, vom Seil zu fallen und es wieder mit seiner Hand gerade in dem Augenblick zu erfassen, als die ganze Gesellschaft den Schädel des Römers so zerbrochen glaubte, als es je der des bekannten Dichters war, den der Adler für eine Schildkröte hielt.
Endlich hörte der Tänzer, wenigstens zur großen Beruhigung Ione's, die an solche Unterhaltung nicht sehr gewöhnt war, plötzlich auf, als sich Musik von außen hören ließ. Bald aber tanzte er von Neuem nur noch wilder; die Melodie wechselte, der Tänzer hielt abermals inne; doch selbst jetzt vermochte sie den Zauber noch nicht zu lösen, von dem er besessen schien. Er stellte einen Menschen vor, der durch eine eigenthümliche Krankheit zu tanzen genöthigt ist, und den nur eine bestimmte Musikweise heilen kann. [Fußnote: Ein in Kampanien noch üblicher Tanz. ] Endlich schienen die Musiker den rechten Ton zu treffen; der Tänzer machte einen Sprung, ließ sich vom Seil herab, hüpfte auf den Fußboden und verschwand.
Jetzt trat eine Kunst an die Stelle der andern, und die Musiker, die außen auf der Terrasse aufgestellt waren, spielten eine sanfte und weiche Melodie, zu welcher die folgenden Worte gesungen wurden, die jedoch in Folge des ausnehmenden Piano's des Gesanges und der dazwischen befindlichen Wand kaum hörbar waren:
Durch diese Blumen sendet in die Kreise
Des Psilas ihre Grüße die Musik;
Pans Hirtenflöte blies die zarte Weise,
Hing Bacchus Aug an Ariadne's Blick.
Und wie er ausgießt jetzt die Thräne
Des süßen Rebenthaus,
So ströme, Harfe, deine Töne,
Für sie – für Aphrodite'n aus!
Den Krieger reißt zu Ares wilden Tänzen
Der weithin schmetternde Trompetenklang;
Die Liebe lispelt unter Rosenkränzen
Und liebt der Töne lispelnden Gesang.
Drum stehle sich Musik, o stehle,
Wie süß Geflüster dich ans Ohr,
Und wer dich hört, in dessen Seele
Ruf' der Geliebten Stimme vor!
Ich weiß nicht, wie es kam, aber am Ende dieses Liedes erröthete Ione's Wange tiefer als zu vor, und Glaukus hatte unter dem Schutzdache des Tisches ihre Hand zu erfassen gewagt.
»Ein hübscher Gesang,« sagte Fulvius mit Gönnermiene.
»Ach, wenn Du uns den Gefallen thun wolltest,« flüsterte die Gemahlin des Pansa.
»Wünschest Du, daß Fulvius singe?« fragte der König des Festes, der gerade die Gesellschaft aufgefordert hatte, das Wohl des römischen Senators, und zwar einen Becher auf jeden Buchstaben seines Namens zu trinken.
»Kannst Du noch fragen?« antwortete die Matrone mit einem verständlichen Blick auf den Dichter.
Sallust schlug ein Schnippchen mit dem Finger und flüsterte dem Sklaven, der zu Einholung seiner Befehle herbeisprang, einige Worte zu, worauf dieser verschwand und einige Augenblicke nachher mit einer kleinen Harfe in der einen und einem Myrtenzweige in der andern Hand wieder zurückkehrte.
Er näherte sich dem Dichter und überreichte ihm mit einer tiefen Verbeugung die Harfe.
»Ach, ich kann nicht spielen,« rief der Poet.
»Dann mußt Du zur Myrte singen. Es ist ein griechischer Brauch – Diomed liebt die Griechen – – Du liebst die Griechen – wir Alle lieben die Griechen, und unter uns gesprochen, ist das nicht das Einzige, was wir von ihnen gestohlen haben. Abgesehen hievon übrigens führe ich diesen Gebrauch ein – ich, der König – sing,
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