Die letzten Tage von Pompeji
Unterthan – sing.«
Mit verschämtem Lächeln nahm der Dichter die Myrte in seine Hand und sang nach einem kurzen Vorspiel folgendes Lied mit gefälliger und wohltönender Stimme:
Die Krönung der Liebesgötter. [Fußnote: Hervorgerufen durch zwei pompejanische Gemälde im Museum zu Neapel, welche eine Taube und einen Helm darstellen, die von Liebesgöttern auf einen Thron gesetzt worden. ]
Die Liebesgötter trieben sich
Mit Spielen einst herum;
Doch Liebesgötter lieben sich
Nicht gar zu lange stumm.
Sie sangen und sprangen hinauf und hinab,
Da setzte es allerlei Streitigkeit ab.
Pfui, pfui, wie kann man auch toben so sehr?
Mein Liebchen, so gehe doch in dich,
Mir dünkt, es ist kaum eine Stunde erst her,
So waren wir selber so windig.
Die Liebesgötter waren wohl
Bis dahin immer frei;
Doch selbst die Götter fahren wohl
Drum kamen die Spielenden bald überein,
Es sollt einer König und Richter sein.
Ein Kuß – ach ein leidiger Potentat,
Mein Liebchen, was wäre ein Kuß uns,
Wenn ich wich' so weit von der Freiheit Pfad,
Und wählte die härteste Nuß uns!
Beim Plunderkram entdeckten sie
Von Mars ein alt Kasket,
Und auf dasselbe stecken sie
Ein mächtig Federnbouquet.
So hatte ein König noch nie eine Kron,
Schnell war der Behelmte gesetzt auf den Thron.
Der Tapfere, heißt es, gewinnt eine Welt,
Man wählte den tapfersten Helden,
Dein liebender Blick an die Spitze gestellt,
Gewänne sich sämmtliche Welten.
Die Liebesgötter, fand der Helm,
Zu meistern war kein Spiel;
Oft ist für den Verstand der Schelm,
Der einzige zu viel.
Sie quälten und quälten ihn bis er zuletzt
Sich eine Gehülfin zur Seite gesetzt.
Wenn Könige selber der Erde Beschwer,
Zu hart für den Einzelnen finden,
So ist sie zu hälften mein ernstlich Begehr,
Drum Liebchen, o lasse dich binden!
Die Taube sah schon lang im Haus
Dem tollen Spaße zu;
Dem König ward zu bang im Graus,
Es ließ ihm keine Ruh;
Er nahm die Taube zu sich auf den Thron
Und Alles empfing sie mit jubelndem Ton.
Süß Liebchen, o wären doch Throne nur mein,
Zu setzen auf sie meine Liebe!
Doch, mein' ich, wird Thrones genug für mich sein,
Dein Herz so voll Treue und Liebe.
Die Königin, so dachte man,
Sei milder noch als mild,
Doch als es galt, so machte man
Von ihr ein ander Bild.
Sie hatte das Herrschen von oben gelernt,
Nie war die Ruthe vom Scepter entfernt.
Mit dir ach hab' ich das gleiche Geschick,
Geliebte, die ich mir erlesen.
Wo fände sich je ein sanfterer Blick,
Und wo ein herrischer Wesen?
Dieser Gesang, der dem heitern und lebenslustigen Sinne der Pompejaner höchlich zusagte, wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen, und die Wittwe bestand darauf, ihren Namensvetter mit denselben Myrtenzweige zu krönen, zu dem er gesungen hatte. Der Zweig wurde leicht in einen Kranz umgebogen und der unsterbliche Fulvius unter Händeklatchen mit dem Ruf io triumphe! gekrönt. Gesang und Harfe machten jetzt die Runde in der Gesellschaft; ein neuer Myrtenzweig ging von Hand zu Hand und hielt bei jeder Person, die sich bestimmen ließ, zu singen. [Fußnote: Nach Plutarch (Symo. lib. I) scheint es, daß der Myrten- oder Lorbeerzweig nicht der Ordnung nach herumgereicht wurde, sondern von der ersten Person auf dem ersten Ruhebett zu der ersten Person auf dem zweiten, und dann von der zweiten Person auf dem ersten Ruhebett auf die zweite Person auf dem zweiten überging u.s.w. ]
Die Sonne begann jetzt zu sinken, obgleich die Schmausenden, die bereits mehre Stunden beisammen saßen, in dem verdunkelten Gemache es nicht bemerkten; der Senator aber, der müde war, und der Krieger, der nach Herkulanum zurückkehren wollte, erhoben sich und gaben damit das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch.
»Verziehet noch einen Augenblick, meine Freunde,« rief Diomed; »wenn Ihr so bald gehen wollt, so müßt Ihr wenigstens an unserem Schlußspiel Theil nehmen.«
Mit diesen Worten winkte er einem der Ministri und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf der Sklave hinausging, alsbald aber mit einem kleinen Gefäß wieder erschien, das verschiedene, sorgfältig versiegelte und dem Anscheine nach ganz gleiche Täfelchen enthielt. Jeder Gast mußte eines derselben zu dem Preis der niedrigsten Silbermünze kaufen, und der Spaß dieser Lotterie (welche eine Lieblingsunterhaltung des Augustus war, der sie einführte) bestund in der Ungleichheit und bisweilen Ungereimtheit der Gewinnste, deren Beschaffenheit und Werth auf den Täfelchen bezeichnet waren. So z.B. zog der
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