Die letzten Tage von Pompeji
Ahnen auf noch größeren Küsten fortpflanzen und in dem edlen Herzen Ione's das dankbare Bewußtsein erwecken, daß sie das Loos eines Mannes theilt, der ferne von der überlebten Fäulnis dieser sklavischen Civilisation die ursprünglichen Elemente der Größe wieder herstellt und in einer mächtigen Seele die Eigenschaften des Propheten und des Königs vereinigt.«
Aus diesem hochtönenden Selbstgespräch wurde Arbaces erweckt, um dem Verhör des Atheners beizuwohnen.
Die eingefallene und blasse Wange seines Opfers rührte ihn weniger, als die Festigkeit seiner Nerven und die Unerschrockenheit seiner Stirne; denn Arbaces war ein Mann, der nur geringes Mitleid mit dem Unglück, aber ein lebhaftes Mitgefühl für den Muth hatte. Die geistige Verwandtschaft, die uns an Andere bindet, hat stets ihren Ursprung in den Eigenschaften unseres eigenen Wesens. Nicht sowohl über den Sturz seines Feindes, als über den Muth, womit er das Unglück erträgt, weint der Held. Wir alle sind Menschen, und auch Arbaces hatte, bei all seiner Lasterhaftigkeit, seinen Antheil an unsern gemeinsamen Gefühlen, an unserer Muttererde. Hätte er nur von Glaukus das schriftliche Bekenntnis seines Verbrechens herausgebracht, das diesen sicherer, als das Urtheil Anderer aus dem Herzen Ione's verdrängt und die Möglichkeit einer künftigen Entdeckung des wahren Thäters hinweggeräumt hätte, so würde Arbaces alle seine Kräfte zur Rettung des Glaukus aufgeboten haben. Selbst jetzt war sein Haß vorüber – sein Durst nach Rache gestillt; er zertrat seine Beute nicht aus Feindschaft, sondern als ein Hindernis auf seinem Wege. Gleichwohl verfolgte er mit nicht geschwächter Entschlossenheit, mit nicht verminderter List den Pfad, den er zur Vernichtung eines Mannes eingeschlagen, dessen Untergang zur Erreichung seiner Zwecke unerläßlich nothwendig war, und während er mit anscheinendem Widerstreben und Mitleid das verdammende Zeugnis gegen Glaukus ablegte, nährte er insgeheim und durch Vermittlung der Priester jene Entrüstung des Volkes, welche dem Mitleiden des Senats eine gewaltige Schranke setzte. Er hatte Julia besucht, ihr das Geständnis Nydia's mitgetheilt und dadurch unschwer jede Bedenklichkeit ihres Gewissens eingeschläfert, welche sie etwa hätte verleiten können, das Verbrechen des Glaukus durch ein Geständnis der zunächst von ihr ausgegangenen Veranlassung zu mildern; es ward ihm dies um so leichter, als ihr eitles Herz das Ansehen und das Glück des Glaukus, nicht den Glaukus selbst geliebt hatte; für einen unglücklichen Mann fühlte sie keine Liebe, ja, sie freute sich beinahe seines Falles, da er die verhaßte Ione demüthigte. Konnte Glaukus ihr Sklave nicht sein, so konnte er doch auch ihre Nebenbuhlerin nicht mehr anbeten. Dies war ein hinreichender Trost für jeden Kummer über sein Schicksal. Flüchtig und wankelmüthig, fing sie schon an, der plötzlichen und ernstlichen Bewerbung des Klodius Gehör zu schenken und war keineswegs geneigt, die Verbindung mit diesem niedrigdenkenden oder hochgeborenen Patrizier durch ein öffentliches Geständnis ihrer früheren Schwäche und ungezügelten Leidenschaft für einen andern auf's Spiel zu setzen. Somit lächelte Alles auf Arbaces, und Alles schaute finster auf den Athener.
Elftes Kapitel.
Nydia spielt die Rolle einer Zauberin
Als die Thessalierin fand, daß Arbaces nicht mehr zu ihr zurückkehre, als sie Stunde um Stunde der ganzen Qual einer furchtbaren, durch Blindheit doppelt unerträglich gemachten Ungewißheit überlassen wurde, begann sie, mit ausgestreckten Armen nach irgend einem Ausweg ihres Gefängnisses umherzufühlen, und da sie die einzige Thüre verschlossen fand, so schrie sie laut, mit dem Ungestüm eines von Natur heftigen und nun durch die Qualen der Ungeduld geschärften Gemüthes.
»He, Mädchen!« rief der dienstthuende Sklave, die Thüre öffnend, »bist Du von einem Skorpion gebissen, oder glaubst Du, wir sterben hier vor Stillschweigen und können nur, wie der kleine Jupiter, durch ein gewaltiges Geschrei gerettet werden?«
»Wo ist Dein Herr und weshalb bin ich hier eingesperrt? Ich muß Luft und Freiheit haben! laß mich fort.«
»Aha, Kleine, kennst Du den Arbaces noch nicht genug, um zu wissen, daß sein Wille allgewaltig ist? Er hat befohlen, daß Du eingesperrt werdest und deshalb bist Du eingesperrt und ich bin Dein Wächter. Luft und Freiheit kannst Du nicht haben, wohl aber etwas weit Besseres – Speise und Wein!«
»O
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