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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Jupiter!« rief das Mädchen, die Hände ringend, »und weshalb bin ich hier verhaftet? Was kann der große Arbaces von einem so armen Geschöpf, als ich bin, wollen?«
    »Das weiß ich nicht; es sei denn, daß Du Deine neue Gebieterin bedienen sollest, die heute hierhergebracht wurde.«
    »Was, Ione hier?«
    »Ja, die arme Dame; es gefiel ihr, glaub' ich, nicht besonders; doch ist Arbaces, beim Tempel des Castor! ein artiger Mann gegen Frauenzimmer. Deine Dame ist seine Mündel, wie Du weißt.«
    »Willst Du mich zu ihr führen?«
    »Sie ist krank – ganz außer sich vor Zorn und Ärger. Überdies habe ich keinen Befehl hiezu und ich für meine Person denke nie etwas. Als Arbaces mich zum Sklaven dieser Zimmer machte, [Fußnote: In den Häusern der Großen hatte jede Zimmerreihe ihren besondern Sklaven. ] sagte er: ›Ich habe Dir nur eine Lehre zu geben – so lange Du mir dienst, mußt Du weder Ohren, noch Augen, noch eigene Gedanken haben; nur eine Eigenschaft mußt Du in Dich aufnehmen, – Gehorsam.‹«
    »Aber was kann es schaden, wenn ich Ione besuche?«
    »Das weiß ich nicht; wenn Du übrigens Gesellschaft wünschest, so will ich recht gerne mit Dir sprechen, liebe Kleine, denn ich bin einsam genug in meinem dunkeln Cubiculum. Und überdies bist Du ja eine Thessalierin – verstehst Du nicht irgend einen hübschen Zeitvertreib mit Messer und Scheere oder kannst Du vielleicht wahrsagen, wie die meisten Deiner Landsleute?«
    »Still, Sklave, laß mich in Ruh! Oder wenn Du durchaus sprechen willst – was hast Du vom Zustand des Glaukus gehört?«
    »Ei nun, mein Herr ist ausgegangen, um der gerichtlichen Verhandlung über den Athener beizuwohnen; Glaukus wird dafür büßen müssen.«
    »Für was?«
    »Für die Ermordung des Priesters Apäcides.«
    »Ha!« rief Nydia, die Hände gegen die Stirne drückend; »ich habe allerdings etwas davon gehört, aber ich verstund es nicht. Doch, wer wird es wagen, ein Haar auf seinem Haupte zu krümmen?«
    »Der Löwe, fürcht' ich.«
    »Schützende Götter! welch gottloses Zeug sprichst Du da!«
    »Nun ich sag bloß, daß, wenn man ihn schuldig befindet, der Löwe oder vielleicht der Tiger das Urtheil an ihm vollziehen wird.«
    Nydia sprang auf, als hätte ein Pfeil ihr Herz durchbohrt: sie stieß einen durchdringenden Schrei aus, fiel dem Sklaven zu Füßen und rief in einem Ton, der selbst sein rohes Herz erweichte: »Ach, sage immer, daß Du gescherzt – daß Du nicht die Wahrheit geredet – sprich, sprich!«
    »Nun, meiner Treu, blindes Mädchen, ich verstehe nichts von den Griechen; es sieht vielleicht nicht so schlimm aus, als ich sagte. Aber Arbaces ist sein Ankläger und das Volk verlangt ein Opfer für die Arena. Beruhige Dich! Doch was hat das Schicksal des Atheners mit dem Deinigen zu schaffen?«
    »Thut nichts zur Sache – er ist freundlich gegen mich gewesen: Du weißt also nicht, was geschehen wird? Arbaces sein Ankläger! O Schicksal! Das Volk – das Volk! Doch dieses kann kein Antlitz schauen – wer wird grausam gegen den Athener sein! – Aber halt, war nicht die Liebe selbst grausam gegen ihn?«
    Mit diesen Worten sank ihre Hand auf ihre Brust; sie verstummte, heiße Thränen strömten ihre Wangen herab und alle freundlichen Bemühungen des Sklaven, sie zu trösten, oder ihren tiefen Träumereien zu entziehen, waren fruchtlos.
    Als ihr Wächter, durch seine häuslichen Pflichten genöthigt, ihr Zimmer verließ, begann Nydia ihre Gedanken wieder zu sammeln: Arbaces war der Ankläger des Glaukus, Arbaces hatte sie hier eingesperrt; war das nicht ein Beweis, daß ihre Freiheit dem Glaukus nützlich sein könne? – Ja, sie war hier offenbar in eine Schlinge gelockt; sie trug zum Untergang ihres Geliebten bei. O wie sehnte sie sich nach Befreiung! Zum Glück für sie verzehrte der Wunsch nach Flucht jede andere schmerzliche Empfindung, und als sie über die Möglichkeit ihrer Befreiung nachdachte, ward ihr Herz wieder ruhig, ihr geistiger Blick wieder klar. Sie besaß viel von der List ihres Geschlechtes, die durch ihre frühe Sklaverei nur noch erhöht worden war. Welchem Sklaven fehlte es je an Verschlagenheit? Sie beschloß also, ihre Kunst an ihrem Wächter zu versuchen, und da sie sich keiner abergläubischen Frage nach ihren thessalischen Künsten plötzlich erinnerte, hoffte sie, durch diese Handhabe auf irgend eine Weise ihre Flucht zu bewerkstelligen. Solche Gedanken beschäftigten ihren Geist den Rest des Tages und die langen Stunden der

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