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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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Siegel. »Wie! Griechisch?« sagte er, »wahrscheinlich von einer gelehrten Dame.« Er durchlief den Brief und sein Gesicht nahm plötzlich den Ausdruck des Staunens und der Rührung an. »O ihr Götter! Edler Sallust, warum haben wir dies Schreiben nicht früher gelesen! Höre.«
    »› Nydia, die Sklavin, an Sallust, den Freund des Glaukus. Ich bin eine Gefangene in dem Hause des Arbaces. Eile zu dem Prätor. Bewirke meine Befreiung und wir können vielleicht Glaukus noch von dem Löwen retten. Es lebt noch ein anderer Gefangener in diesen Mauern, dessen Zeugnis die Klage gegen den Athener widerlegen kann. Dieser Gefangene sah das Verbrechen begehen, und zwar durch einen Schurken, auf den bis jetzt noch kein Verdacht fiel. Eile! Schnell! Schnell! Bringe Bewaffnete mit, für den Fall, daß Widerstand geleistet werden sollte; desgleichen einen gewandten Schmied; denn die Kerkerthüre meines Mitgefangenen ist dick und stark. Ach! bei Deiner Rechten und bei Deines Vaters Asche verliere keinen Augenblick.‹«
    »Große Götter!« rief Sallust bebend aus, »und heute noch, nein, vielleicht in dieser Stunde stirbt er. Was ist zu thun? Ich will augenblicklich zu dem Prätor gehen.«
    »Nein; das geht nicht. Der Prätor so gut als der Editor Pansa selbst sind vom Pöbel abhängig. Der Pöbel aber wird nichts von Aufschub hören wollen; er würde es sehr übel aufnehmen, wenn man seine Erwartung im Augenblicke der höchsten Gespanntheit täuschte. Insofern könnte der schlaue Egypter dadurch eine Warnung erhalten und dann Vorkehrungen treffen. Sicherlich hat er nicht ohne Grund die um sein Geheimnis Wissenden in Gewahrsam gebracht. Nein, gehe nicht zum Prätor; glücklicher Weise sind Deine Sklaven daheim.«
    »Ich stimme Deiner Meinung bei,« unterbrach Sallust seinen Freigelassenen; »bewaffne augenblicklich die Sklaven. Die Straßen sind leer. Wir wollen nach dem Hause des Arbaces eilen und die Gefangenen befreien. Schnell! Schnell! Auf! Davus, mein Kleid, und meine Sandalen; bring auch Papyrus und ein Rohr. [Fußnote: Das Rohr ( calamus ) diente zum Schreiben auf Papyrus und Pergament, der Griffel ( stilus ) zum Schreiben auf Wachstafeln, Baumblätter, Metallplatten u.s.w. – Die Briefe wurden halb auf Papyrus, halb auf Wachstäfelchen geschrieben. ] Ich will an den Prätor schreiben und ihn ersuchen, das Urtheil des Glaukus aufzuschieben, bis wir in einer Stunde seine Unschuld beweisen. Ja, auf diese Weise geht es. Spute Dich, Davus, und trage diesen Brief zum Prätor ins Amphitheater. Aber er muß ihm eigenhändig übergeben werden. Nun gut! Oh, ihr Götter, deren Verfehlung Epikur läugnet, begünstigt mich jetzt, und ich will den Epikur einen Lügner nennen!

Viertes Kapitel.
Noch einmal das Ampthitheater.
    Glaukus und Olinth waren zusammen in die dunkle und enge Zelle gesperrt, in welcher die Verbrecher ihrem letzten und gefährlichen Kampfe entgegensahen. Ihre seit Kurzem an die Dunkelheit gewöhnten Augen suchten in dieser schrecklichen Stunde die Züge des Andern zu erforschen, und durch das matte Licht, welches durch die Zelle drang, wurden ihre ohnehin schon bleichen Gesichter noch aschfarbener und gespenstischer. Dennoch aber drückten ihre Mienen eine feste Entschlossenheit aus; ihre Glieder zittern nicht; ihre Lippen waren zusammengepreßt und kalt. Die Religion des Einen, der Stolz des Andern, die Unschuld Beider, und vielleicht auch der Trost, den der Mensch darin findet, wenn er einen Genossen im Unglücke hat, machten aus den Schlachtopfern Helden.
    »Horch! hörst Du das Jubelgeschrei? Sie lechzen nach dem Blute ihrer Mitmenschen,« sagte Olinth.
    »Ich höre es; mein Herz möchte mir fast brechen; aber die Götter halten meinen Muth aufrecht.«
    »Die Götter! o thörichter junger Mann, lerne in dieser Stunde nur den Einen wahren Gott erkennen. Habe ich Dich nicht im Kerker unterrichtet, um Dich geweint und für Dich gebetet? Habe ich nicht in meinem Eifer, in meiner Bekümmernis um Dein Seelenheil, mehr an Deine Rettung, als an meine eigene gedacht?«
    »Wackerer Freund!« entgegnete Glaukus feierlich, »mit Bewunderung, mit Aufmerksamkeit habe ich Dich stets angehört, und mein Herz neigt sich insgeheim zu Deiner Überzeugung hin. Hätten wir noch länger gelebt, so würde ich allmählig meinen eigenen Glauben aufgegeben und vielleicht den Deinigen angenommen haben; aber in der Todesstunde wäre es Feigheit, sich durch Schrecken zu Etwas bestimmen zu lassen, was allein das Resultat längerer

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