Die letzten Tage von Pompeji
er hinzu, »wenn Du den Kampf mit einem so tapfern und erprobten Manne ausschlagen willst, so steht es Dir frei. Eumolpus ist nicht ursprünglich für Dich bestimmt. Du weißt wohl am besten, ob Du es mit ihm aufnehmen kannst. Wenn Du fällst, so ist Dein Schicksal ein ehrenvoller Tod; siegst Du aber, so will ich den festgesetzten Preis aus meiner eigenen Börse verdoppeln.«
Das Volk jauchzte Beifall. Lydon stund an den Schranken und schaute rings umher; hoch oben erblickte er das bleiche Antlitz, die zagenden Augen seines Vaters. Einen Augenblick war er unentschlossen. Aber nein! der Sieg mit dem Cestus war nicht hinreichend; er hatte den Kampfpreis noch nicht gewonnen; sein Vater war noch ein Sklave!
»Edler Aedil!« erwiderte er in festem männlichen Tone; »ich erschrecke nicht vor diesem Kampfe. Die Ehre Pompeji's erfordert es, daß ein, durch den berühmten Lanista Unterrichteter mit diesem Römer sich mißt.«
Das Volk jubelte noch lauter als zuvor.
»Vier gegen Eins wider Lydon!« sagte Klodius zu Lepidus.
»Ich würde nicht zwanzig auf Eins annehmen! Eumolpus ist ein wahrer Achilles und jener arme Bursche ein Neuling!«
Eumolpus blickte dem Lydon kühn ins Gesicht; er lächelte, doch folgte dem Lächeln bald ein leichter, kaum hörbarer Seufzer – ein Gefühl mitleidiger Rührung, welches jedoch die Gewohnheit in dem gleichen Augenblicke unterdrückte, als das Herz sie empfinden wollte.
Jetzt stunden in vollständiger Rüstung, mit gezogenen Schwertern und geschlossenen Visiren die beiden letzten Kämpfer der Arena (die folgenden hatten es mit wilden Thieren aufzunehmen) einander gegenüber.
In demselben Augenblicke ward dem Prätor durch einen Theaterdiener ein Brief übergeben; er öffnete das Siegel, durchlief ihn flüchtig und in seinem Gesichte drückte sich auf einmal Staunen und Verlegenheit aus. Noch einmal durchlas er den Brief, legte ihn alsdann mit den Worten: »Es ist nicht möglich! der Mann muß schon am Morgen betrunken sein, daß er von solchen Tollheiten träumt,« sorglos bei Seite und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Spiele zu.
Die Zuschauer befanden sich jetzt in der höchsten Spannung. Eumolpus hatte zuerst ihre Gunst gewonnen; aber der ritterliche Sinn des Lydon und seine wohlangebreachte Anspielung auf die Ehre des pompejanischen Lanista hatte nachher dem Letzteren einen Vorzug in ihren Augen verliehen.
»Heda, alter Knabe!« sagte Medon's Nachbar zu diesem; »Dein Sohn hat einen schweren Kampf; aber sei ohne Sorge, der Editor wird nicht zugeben, daß er getödtet wird; nein; auch das Volk nicht; er hat sich ja heute so wacker benommen. Ha, das war ein meisterhafter Stoß! – gut parirt, beim Pollux! Wieder auf ihn, Lydon! – sie halten inne, um Athem zu schöpfen! Was murmelst Du da, alter Knabe?«
»Gebete,« antwortete Medon mit einer ruhigeren und hoffnungsvolleren Miene, als er bisher gezeigt hatte.
»Gebete! Possen! Die Götter treten nicht mehr ins Mittel, um den Menschen zu helfen. Beim Jupiter! was für ein Schlag! Deine Seite! Deine Seite! schütze Deine Seite, Lydon!«
Ein convulsivisches Zittern durchlief jetzt die ganze Versammlung. Lydon hatte einen furchtbaren Hieb von Eumolpus auf den Helm erhalten und war in die Kniee gesunken.
» Habet! « rief eine gellende weibliche Stimme; »er ist getroffen, juchheisa!«
Es war die Stimme jenes Mädchens, welches so sehnlich das Verlangen ausgesprochen hatte, daß man einige Verbrecher den wilden Thieren preisgeben möchte.
»Schweige still, mein Kind!« sagte die Gemahlin Pansa's, in befehlendem Tone, » non habet! Er ist nicht verwundet!«
»Ich wollte, er wäre es, wenn auch nur dem alten, griesgrämigen Medon zum Trotze,« murmelte das Mädchen.
Indes fing Lydon, der sich bisher mit vieler und großer Geschicklichkeit vertheidigt hatte, allmählig an, vor den gewaltigen Hieben des geübten Römers zurückzuweichen; sein Arm ermattete, sein Kopf schwindelte, er athmete schwer und mit Anstrengung. Die Kämpfer machten nun eine Pause, um wieder Athem zu schöpfen.
»Junger Mann,« sagte Eumolpus mit leiser Stimme, »gib nach, ich will Dich leicht verwunden, dann senke Deine Waffe; der Editor und das Volk sind Dir günstig, und Du wirst auf eine ehrenvolle Art mit dem Leben davon kommen!«
»Und mein Vater ein Sklave bleiben!« seufzte Lydon vor sich hin. »Nein! den Tod oder seine Freiheit!«
Da er sah, daß seine Kraft der Ausdauer des Römers nicht gleichkomme, und daß Alles von einem raschen und
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