Die letzten Tage von Pompeji
Überlegung sein sollte. Würden nicht Deine Verheißungen des Himmels oder Deine Drohungen der Hölle daran schuld sein, wenn ich jetzt Deinen Glauben annähme und den Göttern meiner Väter entsagte? Nein, Olinth! Wir wollen gleich liebevoll von einander denken, ich, indem ich Deine Biederkeit ehre, Du, indem Du meine Verblendung oder meinen verstockten Muth bemitleidest. Wie meine Handlungen waren, so wird auch mein Lohn sein, und das allmächtige Wesen da oben wird den irrenden Menschen nicht hartherzig verdammen, wenn sein Streben nur redlich und ehrenvoll war. Wir wollen nicht weiter davon sprechen. Still! Hörst Du, wie sie jenen schweren Körper durch den Sand schleppen; so wie diese werden auch bald unsere Leiber sein.«
»O Himmel! O Christus! Schon schaue ich Dich!« rief der glaubensvolle Olinth mit aufgehobenen Händen; »ich zittre nicht, sondern ich freue mich, daß mein Gefängnis sich bald aufschließen wird.«
Glaukus beugte schweigend sein Haupt. Er fühlte den Unterschied zwischen seinem Muthe und dem Muthe seines Leidensgenossen. Der Heide bebte nicht, aber der Christ frohlockte.
Knarrend ging die Kerkerthüre auf. Der Glanz von Speeren drang in die Zelle.
»Glaukus von Athen, Deine Zeit ist gekommen,« sagte eine laute und klare Stimme: »der Löwe erwartet Dich.«
»Ich bin bereit,« erwiderte der Athener. »Bruder und Leidensgefährte, laß uns einander noch einmal umarmen! Segne mich und lebe wohl!«
Der Christ öffnete seine Arme, er schloß den jungen Heiden an seine Brust, er küßte ihn auf Stirne und Wange, er seufzte laut und seine Thränen flossen schwer und heiß über das Gesicht seines Freundes.
»Oh! hätte ich Dich doch belehren können, dann würde ich nicht weinen. Könnte ich doch zu Dir sagen: ›Wir Beide werden mit einander diesen Abend im Paradiese sein!‹«
»Es kann dennoch geschehen,« antwortete der Grieche mit zitternder Stimme. »Die, welche der Tod nicht trennt, sehen sich vielleicht jenseits des Grabes wieder. Auf dieser Erde aber, auf dieser schönen, geliebten Erde, lebe wohl für immer! – Würdiger Kampfwärter, ich bin bereit.«
Glaukus trat aus der Zelle heraus; aber als er in die freie Luft kam, da schauderte es ihn auf einmal, obwohl es im Theater sehr heiß war. Von den Wirkungen des tödtlichen Trankes noch nicht ganz hergestellt, zitterte er am ganzen Leibe, so daß die Kampfwärter ihn stützen mußten.
»Muth,« sagte der Eine, »Du bist jung, kräftig und gewandt. Man gibt Dir eine Waffe; verzage nicht, denn Du kannst vielleicht noch siegen.«
Glaukus erwiderte nichts; aber beschämt über seine Schwäche, suchte er durch eine verzweifelte und krampfhafte Anstrengung die frühere Festigkeit seiner Nerven wieder zu gewinnen. Man bestrich hierauf seinen Körper, der bis auf eine Binde um die Lenden, ganz nackt war, mit Oel, gab ihm einen Stilus (eine nutzlose Waffe!) in die Hand und führte ihn auf die Arena.
Jetzt, als der Grieche die Blicke von Tausenden und aber Tausenden auf sich gerichtet sah, da fühlte er nicht mehr seine Sterblichkeit. Aller Schein von Furcht – ja, die Furcht selbst war für ihn völlig verschwunden. Eine hohe Röthe überflog seine bleichen Wangen, und seine herrliche Gestalt zeigte sich in ihrem vollsten Glanze. Die elastische Schönheit seiner Glieder, seine kühne Stirne, sein trotziger, unbezähmbarer Geist, der aus seiner ganzen Haltung, von seinen Lippen, aus seinen Augen sprach, ließen ihn gleichsam als die Verkörperung der Kraft und Hoheit seines Vaterlandes, als einen Helden und einen Gott erscheinen.
Das Gemurmel des Hasses und Abscheu's über sein Verbrechen, womit man ihn bei seinem Eintritte empfangen, verwandelte sich in unwillkürliche, stille Bewunderung und halb mitleidsvolle Achtung. Mit einem raschen, convulsivischen Seufzer, welchen die ganze Volksmenge, als wäre sie nur ein Körper, ausstieß, wandten sich die Blicke der Zuschauer von dem Athener auf einen dunkeln, unförmlichen Gegenstand in der Mitte der Arena. Es war der vergitterte Käfig des Löwen.
»Bei der Venus, wie heiß es ist!« sagte Fulvia; »und doch scheint hier die Sonne nicht. Warum haben doch die dummen Matrosen jene Lücke in der Decke gelassen!«
»Ja, es ist wirklich sehr warm. Es wird mir übel – ich falle in Ohnmacht!« sagte die Gemahlin Pansa's, deren sonst unerschütterlicher Stoicismus durch den jetzt bevorstehenden Kampf gebrochen wurde.
Vierundzwanzig Stunden lang war der Löwe ohne Nahrung gelassen
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