Die letzten Tage von Pompeji
er stürzt auf Nepimus zu! Beim Mars! Nepimus hat ihm einen meisterlichen Hieb versetzt, gerade auf den Helm! – Klodius, ich werde gewinnen!«
»Zum Teufel mit allen Wetten!« murmelte Klodius, »aber warum kann man einen Gladiator nicht mit Blei ausgießen!«
»Bravo Sporus! Bravo!« schrie das Volk, als Niger jetzt plötzlich stille gestanden war, sein Netz wiederum und wiederum vergeblich ausgeworfen hatte. Diesmal jedoch war er im Zurückziehen desselben nicht behende genug und Sporus versetzte ihm mit dem Schwerte in sein rechtes Bein eine so tiefe Wunde, daß er, unfähig zur Flucht, von seinem Gegner auf's Härteste bedrängt wurde. Seine Größe aber und die Länge seines Arms verschafften ihm noch immer nichtgewöhnliche Vortheile, und indem er seinen Dreizack in gerader Richtung dem Feinde vor die Stirne hielt, gelang es ihm, diesen dadurch auf einige Minuten abzuwehren. Sporus versuchte jetzt, durch eine rasche Wendung, seinem Gegner in den Rücken zu kommen, da dieser sich nur mit Mühe und langsam bewegen konnte. Bei diesem Versuche aber gab er sich eine Blöße, er kam dem Riesen zu nahe, und als er den Arm erhob, um denselben einen Hieb zu versetzen, sank er, von dem dreizackigen Speere in die Brust getroffen, zusammen. Noch einen Augenblick, und das todtbringende Netz war über ihn hergeworfen; vergebens versuchte er sich daraus loszumachen; es blieb ihm nichts übrig, als unter erneuten Stichen des Dreizacks sein Blut durch das Netz hindurch in roten Strömen über den Sand hinlaufen zu sehen. Da ließ er seinen Arm sinken, zum Zeichen, daß er sich für überwunden halte.
Der siegende Retiarius zog sein Netz an sich, und wartete, auf seinen Speer gelehnt, auf das Urtheil, hinsichtlich des Sporus. Der besiegte Gladiator blickte mit matten, verzweiflungsvollen Augen im Theater umher, aber von Reihe zu Reihe, von Bank zu Bank, begegneten ihm nur mitleidslose Mienen.
Kein Gemurmel ließ sich vernehmen. Es herrschte eine fürchterliche, theilnahmslose Stille; keine Hand, nicht einmal eine weibliche, winkte Leben und Gnade. Sporus war auf der Arena nie beliebt gewesen und so eben noch hatte der verwundete Niger die Gunst der Zuschauer für sich gewonnen. Das Volk lechzte nach Blut: ein Scheingefecht gefiel ihm nicht mehr, sondern seine Grausamkeit heischte ein Opfer.
Der Gladiator, fühlend, daß sein Urtheil unwiderruflich feststehe, murmelte kein Gebet und stieß keinen Seufzer aus. Das Volk gab das Todessignal. In ruhiger Ergebung bot er seinen Nacken dem verderblichen Streiche. Es trat nun, da der Speer das Retiarius nicht schnell und sicher genug tötete, eine wilde, grauenhafte Gestalt, die ein kurzes, scharfes Schwert schwang und deren Gesicht unter einem Visir verborgen war, auf die Arena. Mit langsamen, abgemessenen Schritten näherte sich dieser furchtbare Scharfrichter dem noch immer knieenden Gladiator, legte die linke Hand auf seinen Helm, berührte mit dem scharfen Schwerte seinen Nacken und blickte dann rings im Kreise herum, ob sich nicht etwa in diesem letzten Augenblicke eine Regung des Mitleids kund gebe; aber umsonst, das furchtbare Signal blieb dasselbe, das Schwert glänzte in der Luft, sauste herab und der Gladiator stürzte auf den Sand; seine Glieder zitterten ein wenig, wurden aber schnell bewegungslos und Sporus war eine Leiche.
Sein Körper wurde sodann aus der Arena durch die Pforte des Todes hinausgeschleppt und in eine finstere Höhle geworfen, welche die Benennung Spoliarium führte. Ehe er seinen Bestimmungsort erreichte, war auch der Kampf zwischen den zurückgebliebenen Gladiatoren entschieden. Das Schwert des Eumolpus hatte dem minder erfahrenen Gegner die Todeswunde beigebracht. Ein neues Opfer verschlang die dunkle Behausung der Erschlagenen.
Durch das Theater verbreitete sich jetzt eine allgemeine Bewegung, das Volk athmete freier und nahm seine Sitze wieder ein. Ein kühlender Thau ergoß sich aus verborgenen Röhren über die Zuschauer, welche nun ganz vergnügt über die letzte blutige Scene mit einander plauderten. Eumolpus nahm den Helm ab, trocknete sich die Stirne; sein schöngelocktes Haar, sein dichter, kurz beschnittener Bart, seine edeln römischen Gesichtszüge und sein glänzend schwarzes Auge, erregten allgemeine Bewunderung. Er war noch unverwundet und unermüdet.
Der Editor erklärte nach kurzem Stillschweigen jetzt laut, daß Lydon an die Stelle des gefallenen Nepimus treten und mit Eumolpus kämpfen sollte.
»Höre jedoch, Lydon,« fügte
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