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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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worden, und das Thier hatte schon den ganzen Morgen eine seltsame und rastlose Unbehaglichkeit, welche der Wärter den Qualen des Hungers zuschrieb, an den Tag gelegt. Doch schien sein Benehmen eher Furcht als Muth zu verrathen; sein Gebrüll war schmerzlich und matt; es ließ den Kopf hängen, schnappte durch das Gitter nach Luft; bald legte es sich nieder, bald stund es wieder auf und stieß zu wiederholtenmalen wilde, durchdringende Töne aus. Jetzt lag es still und träge mit ausgedehnten, dicht an das Gitter gedrückten Nasenlöchern in seinem Käfig, und blies durch seinen schweren Athem den Sand in der Arena empor.
    Die Lippen des Editors bebten, und seine Wangen wurden bleich; ängstlich blickte er im Kreise herum, zaudernd und die furchtbare Scene hinausschiebend; aber das Volk wurde ungeduldig. Da gab er endlich widerstrebend das Zeichen; der Wärter, welcher hinter dem Käfig stand, zog vorsichtig das Gitter hinweg und der Löwe stürzte, erfreut über seine Befreiung, mit gewaltigem Gebrüll heraus. Der Wärter zog sich eilends durch den vergitterten Gang von der Arena zurück und ließ den Herrn des Waldes allein mit seiner Beute.
    Glaukus erwartete den Angriff des Löwen in der sichersten Stellung, welche ihm möglich war, wiewohl er sich nur wenig Hoffnung machte, mit seiner kleinen, glänzenden Waffe, die er entschlossen emporhob, seinem grimmigen Feinde einen geschickten Stoß (denn nur zu einem Stoße, wie er wohl wußte, war ihm Zeit gelassen) durch das Auge ins Gehirn zu versetzen.
    Aber zum größten Erstaunen aller, schien der Löwe von der Gegenwart des Verbrechers gar keine Notiz zu nehmen. Im ersten Augenblick seiner Befreiung stund er plötzlich auf der Arena stille, und that dann, sich in die Höhe richtend und ungeduldig nach Luft schnappend, einen raschen Sprung vorwärts, aber nicht gegen den Athener. Langsam schritt er sodann auf der Arena umher, indem er mit einem ängstlichen, verwirrten Blicke, als suche er ein Mittel zur Flucht, sein majestätisches Haupt bald rechts, bald links wandte. Ein- oder zweimal versuchte er über die Brustwehr zu springen, welche ihn von den Zuschauern trennte, und als ihm dieses mißlang, stieß er ein Geheul aus, das weit entfernt von dem furchtbaren, königlichen Brüllen, nur auf die äußerste Verzweiflung schließen ließ. Er gab kein Zeichen von Wuth oder Hunger; er schleppte den Schweif im Sande nach, anstatt seine kräftigen Seiten damit zu peitschen; und obwohl sein Blick bisweilen auf Glaukus fiel, so wandte er die Augen doch immer wieder gleichgültig von demselben ab. Endlich, als ob er jedes Versuches zur Flucht überdrüssig wäre, kroch er zaghaft in seinen Käfig zurück und legte sich wieder ruhig nieder.
    Die Zuschauer, welche anfangs über die Trägheit und Gleichgültigkeit des Löwen staunten, wurden jetzt über seine Feigheit erbittert, und das in seinen Erwartungen getäuschte Volk schien an dem Schicksale des Glaukus keinen Antheil zu nehmen.
    Der Editor rief dem Wärter zu: »Was soll das heißen? Nimm den Stachel, jage den Löwen heraus und schließe alsdann die Thüre des Käfigs zu.«
    Als sich der Wärter mit einigem Zagen, aber mit noch größerem Staunen anschickte, diesem Befehle zu gehorchen, hörte man an einem Eingang der Arena ein lautes Geschrei; aus dem Gewirre der Stimmen ließen sich nur laute Einwendungen vernehmen, die aber schnell wieder verstummten. Alle Augen kehrten sich verwundert über die Unterbrechung nach jener Seite; es wurde Platz gemacht, und plötzlich erschien Sallust, mit verwirrtem Haare, erhitzt, halb erschöpft und fast athemlos bei den Bänken der Senatoren. Er blickte rasch im Kreise umher und rief dann: »Bringt den Athener hinweg! nur schnell! Er ist unschuldig! Nehmt Arbaces den Egypter fest, denn dieser ist der Mörder des Apäcides!«
    »Bist Du toll, Sallust?« sagte der Prätor, von seinem Sitze aufstehend. »Was soll dieses Toben?«
    »Den Athener hinweg! Schnell, oder sein Blut komme über Dein Haupt! Prätor, wenn Du zögerst, so bist Du mit Deinem eigenen Leben dem Kaiser verantwortlich. Ich habe einen Mann bei mir, der die Ermordung des Apäcides mit ansah. Platz gemacht! tretet zurück! aus dem Wege! Pompejaner, laßt den Arbaces nicht entwischen! Dort sitzt er! Platz gemacht für den Priester Kalenus!«
    Bleich, abgezehrt, kaum den Krallen des Hungertodes entronnen, mit eingefallenem Gesichte und hohlem Auge, gleichsam ein lebendes Skelet, wurde Kalenus in diejenige Bankreihe

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