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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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wieder und näherte sich mit so leisem und so wenig vernehmbarem Tritte, daß sogar die Dienerinnen ihn nicht hörten, viel weniger Ione und ihr Geliebter.
    »Und doch,« sagte Glaukus, »glauben wir nur, ehe wir lieben, daß unsere Dichter die Leidenschaft wahr geschildert hätten. Sobald die Sonne aufgeht, verschwinden alle Sterne, die in ihrer Abwesenheit glänzten, in der Luft. Die Dichter sind für uns nur in der Nacht des Herzens da; sie sind uns nichts mehr, sobald wir die ganze Herrlichkeit des Gottes fühlen.«
    »Schönes und überaus glühendes Gleichnis, edler Glaukus.«
    Beide fuhren auf und erkannten nun hinter dem Sitze der Ione das kalte und satirische Angesicht des Egypters.
    »Du bist ein unerwarteter Gast,« sagte Glaukus, indem er sich mit erzwungenem Lächeln erhob.
    »Dies sollten Alle sein, die wissen, daß sie willkommen sind,« versetzte Arbaces, indem er sich niederließ und Glaukus bat, es eben so zu machen.
    »Ich bin sehr erfreut,« sagte Ione, »Euch endlich beisammen zu sehen; denn Ihr passet für einander und seid geschaffen, Freunde zu werden.«
    »Gib mir etwa fünfzehn Jahre meines Lebens zurück,« erwiderte der Egypter, »ehe Du mich mit Glaukus vergleichst; seine Freundschaft würde mich glücklich machen, aber was kann ich ihm dafür bieten? Könnte ich ihm dieselben vertraulichen Mittheilungen machen, die er gegen mich ablegte, über Bankette und Blumenkränze, über parthische Rosse und Wechselfälle des Würfels? Solche Vergnügungen passen sich für sein Alter, seine Natur, seinen Stand; nicht aber für mich.«
    Bei diesen Worten senkte der listige Egypter seine Augen und seufzte; aber aus seinem Augenwinkel blickte er doch verstohlenerweise nach Ione hin, um zu sehen, wie sie diese Anspielungen auf das Treiben ihres Gastes aufnehme; ihre Miene befriedigte ihn jedoch nicht. Leicht erröthend beeilte sich Glaukus mit heiterer Miene, und vielleicht von dem geheimen Wunsche geleitet, den Egypter aus der Fassung zu bringen und zu demüthigen, diesem Folgendes zu erwidern: »Du hast Recht, weiser Arbaces, wir können uns gegenseitig achten, aber keine Freunde sein. Meinen Gastmählern fehlt das geheime Salz, das, wenn man dem öffentlichen Gerede Glauben schenken darf, den Deinigen solche Würze verleiht. Und beim Herkules! wenn ich Dein Alter erreicht habe, und für weise halte, den Vergnügungen des Mannesalters mich hinzugeben, dann werde ich ohne Zweifel, wie Du, das Treiben der Jugend bekritteln.«
    Der Egypter erhob seine Augen zu Glaukus mit einem schnellen und durchbohrenden Blick.
    »Ich begreife Dich nicht,« sagte er kaltblütig, »aber es glauben ja Viele, der Witz liege nur im Dunkeln.«
    Mit diesen Worten wendete er mit kaum bemerkbarem, verächtlichen Lächeln sein Gesicht von Glaukus ab, und redete nach einer kurzen Pause Ione folgendermaßen an: »Die letzten zwei oder dreimale, da ich Dein Vestibulum besuchte, bin ich nicht so glücklich gewesen, schöne Ione, Dich zu Hause zu treffen.«
    »Die Schönheit des Meeres hat mich oft aus dem Hause gelockt,« antwortete Ione etwas verwirrt.
    Diese Verlegenheit entging Arbaces nicht, aber er stellte sich, als ob er sie nicht bemerke, und versetzte lächelnd: »Du weißt, der alte Dichter[Euripides] sagt: ›Die Frauen sollen zu Hause bleiben und sich dort unterhalten.‹«
    »Dieser Dichter war ein Cyniker,« fiel Glaukus ein, »und haßte die Frauen.«
    »Er sprach nach den Sitten seines Landes, und dieses Land ist Euer so gerühmtes Griechenland.«
    »Andere Zeiten, andere Sitten. Wenn unsere Voreltern Ione gekannt hätten, so würden sie ein ganz anderes Gesetz gemacht haben.«
    »Hast Du diese hübsche Artigkeit zu Rom gelernt?« sagte Arbaces mit nur mühsam verhaltener Aufregung.
    »Sicherlich würde Niemand nach Egypten gehen, um Artigkeiten zu lernen,« versetzte Glaukus, indem er gleichgültig mit seiner Kette spielte.
    Ione suchte eine Unterredung zu unterbrechen, die, wie sie mit Bedauern sah, so wenig geeignet war, die beabsichtigte, innige Verbindung zwischen Glaukus und ihrem Freunde zu befestigen.
    »Geht, geht,« sagte sie darum, »Arbaces muß gegen seine arme Pflegetochter nicht so streng sein. Als eine Waise ohne mütterliche Aufsicht verdiente ich vielleicht einen Vorwurf wegen der unabhängigen und gewissermaßen männlichen Lebensfreiheit, die ich mir erwählt habe; gleichwohl aber ist sie nicht größer, als die, an welche die römischen Frauen gewöhnt sind – nicht größer als die, an welche

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