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Die letzten Tage von Pompeji

Die letzten Tage von Pompeji

Titel: Die letzten Tage von Pompeji Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lytton Bulwer
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unter den Genossen des Lasters an Tugend denken?«
    »Du sprichst immer noch in Räthseln; ich beschwöre Dich bei den Göttern, sage mir das Schlimmste auf einmal.«
    »Wohlan denn, wenn es sein muß: wisse also, meine Ione, daß Glaukus erst gestern noch in den öffentlichen Bädern sogar sich laut Deiner Liebe zu ihm gerühmt hat. Er sagte, es belustige ihn, sich dieselbe zu Nutzen zu machen. Um jedoch gerecht gegen ihn zu sein, muß ich gestehen, daß er Deine Schönheit lobte. Wer wollte sie übrigens läugnen? Aber er lachte mit verächtlicher Miene, als sein Klodius oder sein Lepidus ihn fragte, ob er Dich hinreichend liebe, um Dich zu heirathen, und wann er seine Thürpfosten mit Blumen zu behängen gedenke?«
    »Unmöglich! Woher hast Du diese ehrlose Verleumdung?«
    »Wie? Soll ich Dir alle Bemerkungen der unverschämten Gecken wiederholen, mit denen diese Geschichte die Runde durch die Stadt macht. Sei überzeugt, daß ich im ersten Augenblicke selbst nicht daran glauben wollte, daß ich jedoch unglücklicherweise von der Wahrheit dessen, was ich Dir nur widerstrebende erzählte, so eben durch Ohrenzeugen überführt wurde.«
    Ione sank zurück und ihr Gesicht ward blässer, als der Pfeiler, an den sie sich lehnte.
    »Ich gestehe, es ärgerte, es empörte mich, Deinen Namen, wie den Ruf einer bloßen Tänzerin, so leicht in von Munde zu Munde werfen zu hören. Diesen Morgen war es mein angelegentliches Geschäft, Dich aufzusuchen und Dich zu warnen. Ich traf Glaukus hier, und da war es um meine Selbstbeherrschung geschehen. Ich konnte meine Gefühle nicht verhehlen und war unhöflich in Deiner Gegenwart. Ione, kannst Du Deinem Freunde verzeihen?«
    Ohne zu antworten, legte Ione ihre Hand in die seinige.
    »Denke nicht mehr daran,« sagte er, »aber laß es Dir eine warnende Stimme sein, die Dir sagt, wie viel Vorsicht in Deiner Lage erforderlich ist. Diese Sache kann Dich keinen Augenblick betrüben, denn ein so leichtsinniger Mensch, wie Glaukus, konnte nie auch nur durch einen ernstlichen Gedanken Ione's geehrt werden. Solche Beschimpfungen verwunden nur, wenn sie von einem Wesen kommen, das man liebt; derjenige aber, den die erhabene Ione zu lieben sich herabläßt, muß ein ganz Anderer sein.«
    »Lieben!« murmelte Ione mit krampfhaftem Lächeln, »ja wahrhaftig!«
    Es ist nicht ohne Interesse, zu sehen, wie auch in jenen fernen Zeiten und unter einem gesellschaftlichen Systeme, das von dem unsern so sehr verschieden ist, dieselben kleinen Ursachen den Lauf des Lebens stören und unterbrechen; – wie dieselbe erfinderische Eifersucht, dieselbe arglistige Verleumdung, dieselbe schlaue Hinterbringung geringschätziger, zu diesem Zwecke geschmiedeter Klatschereien, die so oft auch in unseren Tagen die Bande zärtlicher Liebe zu b rechen und dem Laufe der scheinbar günstigen Verhältnisse eine andere Richtung zu geben vermögen, schon damals in Anwendung gebracht wurden. Die Fabel erzählt uns von einem ganz kleinen Fischlein, das, wenn die Barke über das sanfteste Gewässer hinsegelt, sich an den Kiel anklammern und seinen Lauf hemmen kann. So verhält es sich gerade mit den großen Leidenschaften der Menschen und wir würden das Leben nur schlecht schildern, wenn wir in den an romantischem Stoffe reichsten Zeiten nicht auch den Mechanismus jener gemeinen Triebfedern des Unheils beschreiben wollten, die wir täglich in unsern Zimmern und an unsern Herden in Thätigkeit sehen. Gerade in diesen kleinen Intriguen des Lebens finden wir uns mit der Vergangenheit am meisten vertraut; wer sie vernachlässigt, ist nur ein Romanschreiber und spricht das Herz nicht an, weil er kein Gemälde desselben liefert.
    Mit großer Schlauheit hatte er Egypter die schwache Seite Ione's angegriffen, mit überaus gewandter Hand den vergifteten Pfeil gegen ihren Stolz geschleudert. Er glaubte das unterdrückt zu haben, was er in Betracht der kurzen Zeit, die sich Ione und Glaukus kannten, nur für eine aufkeimende Liebe hielt und sprach nun sofort, zu einem andern Gegenstande übergehend, von ihrem Bruder. Das Gespräch dauerte jedoch nicht lang. Arbaces verließ die schöne Griechin mit dem festen Vorsatze, nicht mehr so lang wegzubleiben, sondern sie jeden Tag zu besuchen und zu überwachen.
    Kaum hatte er sich aus Ione's Gegenwart entfernt, als der weibliche Stolz – die Verstellung ihres Geschlechts sein beabsichtigtes Opfer verließ und die hochstrebende Ione in leidenschaftliche Thränen zerfloß.

Siebentes

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