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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Eljazokad!« gellte es in ihm, eine Rettung aus seiner Seenot erhoffend, ein Entkommen aus den trügerischen Liebkosungen der Tiefe.
    Eljazokad! Eljazokad! Eljazokad! Eljazokad!
    Aber das war das Stadtschiff von Tengan. Dies war es tatsächlich. Wenn er jetzt hier an Bord ging, würde er nie wieder zurückkehren können, und er wollte doch noch so viel sehen vom Leben, wollte reisen, Abenteuer erleben, sich mit Rodraeg und den anderen vom Mammut auf die Suche nach zu rettenden Tieren machen. Er wollte Ronith wiedersehen und mit ihr Leidenschaften teilen. Er wollte auch noch andere Frauen als Ronith, alle, die so vielfältig, wundervoll und geheimnisumwittert waren.
    Er wollte nicht sterben und seinen Dienst als Rudersklave eines Totenschiffes antreten. Also mußte er einen falschen Namen nennen.
    Aber das war gar nicht so einfach. Er konnte keinen Namen von jemandem nennen, den es tatsächlich gab, weil sonst Gefahr bestand, daß er dadurch einen Unbeteiligten der ewigen Verdammnis an Bord des Stadtschiffes überantwortete. Er konnte sich aber auch nicht einfach einen Namen ausdenken, dazu war seine Situation auf dem nächtlichen Meer viel zu nervenaufreibend. Alle denkbaren Namenssilben schwammen vor ihm davon und rotteten sich weiter hinten zu Hilferufen zusammen.
    Dasco! Dasco war die Lösung, denn Dasco war tot und begraben und konnte nicht mehr nachträglich verpflichtet werden. Dennoch wollte Eljazokad vollkommen sichergehen und drehte die Silben von Dascos Namen vorsichtshalber um.
    Â»Codas!« rief er hinauf. »Mein Name ist Codas! Könnt Ihr mich an Land bringen?«
    Der Mannschaftsmeister, der ihn angerufen hatte, schien in einer Liste zu blättern. Dann rief er mit dröhnender Stimme zurück: »Enter auf, Codas! Wir erwarten dich schon seit Jahren!«
    Â»Nein!« schrie Eljazokad und schlug um sich. Er stieß sich nach hinten von der langsam vorübergleitenden Bordwand ab, geriet zwischen die mannslangen Ruderblätter, boxte und trat dagegen, schrie immer wieder »Nein! Nein! Nein!« und bewegte sich weg von dem Gespenst auf die sommerglatte See. Er schlug und kämpfte immer noch, mit matten Bewegungen und flatternden Augenlidern, als Hellas und Bestar ihn eine halbe Stunde später ins Boot zogen.

15

Die Welt ist das Meer
    Sie ruderten nicht nach Wandry zurück. Zuerst sollte ihnen die Gezeitenfrau versuchen zu erklären, was eigentlich vorgefallen war und wie sie jetzt als nächstes vorgehen sollten. Also steuerten sie einen flachen Kiesstrand an, der auf halber Strecke zwischen der Gezeitenfraubucht und Wandry lag, zogen dort das Boot ein Stück aufs Land und krochen in einer muschelförmigen Höhle unter, wo sie ihre Kleidung an einem prasselnden Feuer trocknen konnten.
    Eljazokad schlief den Schlaf großer Erschöpfung, unruhig vor sich hin murmelnd. Auch Rodraeg war zu müde, die Augen offenzuhalten. Bestar und die Gezeitenfrau erklärten sich bereit, Wache zu halten. Alle anderen rollten sich zusammen und gönnten sich zwei Stunden Schlaf.
    Dann ging im Osten langsam die Sonne auf. Das Glutmeer lag immer noch tintenschwarz in den Schatten, aber der Himmel begann eine zweite Ebene auszubilden, ein unwirkliches Leuchten hinter dem Schleier der Nacht.
    Rodraeg erwachte, weil er husten mußte. Die Gezeitenfrau schien ihn besorgt anzublicken, aber da ihre Augen von ihren wirren Haaren verdeckt waren, konnte er sich dessen nicht sicher sein. Er hustete in seine vorgehaltene Hand. Wenigstens kein Blut.
    Â»Diesen Husten habe ich von Riban Leribin.«
    Die Gezeitenfrau nickte. »Er hat dich berührt, um etwas in dir zu öffnen, was vorher verschlossen war. Ich sagte schon, er meinte es sicher nicht böse. Es ergibt keinen Sinn, daß er seinen Zöglingen Schaden zufügt. Keinen Sinn selbst für einen, der mehr Sinne hat als alle. Ich denke, er wollte dir helfen. Dir das Begreifen erleichtern. Ja, so wird es gewesen sein.«
    Rodraeg stützte sich im Sitzen auf beide Hände. »Ich glaube … ich beginne zu verstehen. Als ich Leribin das erste Mal begegnete …, war er alles andere als angetan von mir. Ich hatte einen Faustkampf verloren. Er hielt mich für schwächlich und nicht geeignet, das Mammut anzuführen. An alle Einzelheiten dieses Treffens kann ich mich nicht mehr erinnern. Dieser Geruch in den Katakomben – Naenn nannte ihn … Feenrauch - hat mich schon damals

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