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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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betäubt und geblendet.«
    Â»Riban hat dich berührt und dir dann diesen Teil deiner Erinnerung wieder genommen, so wie man mit einem Hauchen einer Kerze ihr Leuchten nimmt.«
    Rodraeg nickte. Die Erklärung für seinen Zustand entrollte sich vor seinem inneren Auge wie ein Garnknäuel. »Er hat mir auf magische Weise die Fähigkeit verliehen, mit den Quellen intensiver in Kontakt zu treten als andere Menschen. Wahrscheinlich wußte er schon von der Schwarzwachsmine bei Terrek, und er wußte, daß dies unser erster Auftrag werden würde. Aber was er nicht ahnen konnte, war, daß wir dort gefangen werden und ich einundvierzig Tage und Nächte in unmittelbarer Nähe der Quelle verbringen muß. Das hat mich vergiftet. Die anderen, die nicht von Riban magisch vorbereitet wurden, sind ohne Nachwirkungen davongekommen.«
    Â»Gut möglich, daß er wußte und ahnte. Die Quelle der Erde und die Quelle des Feuers sind beide geöffnet worden innerhalb weniger Monde des letzten Jahres. Welche Erklärungen hat Riban denn für euch parat, wenn er euch irgendwo hinschickt? Wie, sagt er, erhält er Informationen?«
    Â»Er sagt, er arbeitet mit Magiern zusammen. Magier haben ihn von der Schwarzwachsquelle und der Verschmutzung eines Flusses unterrichtet. Seemagier machten ihn auf Wandry aufmerksam und auf die Wale, die hier stranden werden.«
    Die Gezeitenfrau lachte wieder ihr keckerndes Lachen. »Das ist gut, ja! Das ist köstlich, geradezu! Riban und andere Magier -das war noch nie vom Glück gekrönt.« Sie lachte noch einmal, so laut, daß auch Hellas und Danahe davon aufwachten und sich den Schlaf aus den Augen rieben. »Nein, nein, das ist alles er selbst. Er lernt, er weiß, er ahnt und er schickt euch. Der gute, alte, zornige Knabe. Wie jung ist er denn jetzt?«
    Â»Vierzehn. Das heißt« – Rodraeg stutzte –, »er war vierzehn, als ich ihn kennenlernte. Wenn er wirklich pro Jahr um fünf Jahre jünger wird, ist er jetzt wohl schon nur noch dreizehn und vor Ende des Sommers nur noch zwölf. Das geht alles unglaublich schnell.«
    Â»Er hat zuviel gewollt. Zuviel für nur ein Leben.«
    Â»Woher kennt Ihr ihn eigentlich so gut?«
    Â»Ich? Ich und er?« Wieder keckerte sie und schüttelte sich dabei wie ein im Sturm auf einem Zaunpfahl hockender Rabenvogel. »Das geht lange zurück. Ich war verliebt in ihn, als wir beide noch jung waren. Er war fünfundzwanzig, ich zwanzig. Ich war sehr schön damals, du wirst es mir nicht glauben. Aber das ist jetzt bestimmt fünfzig Jahre her. Wir waren zwei von den Zehn.«
    Die Zehn! Die Großen Zehn, wie sein Freund Baladesar diese Magiervereinigung genannt hatte, die vor zwei Generationen als Nachfolger der Götter gehandelt wurden. Jetzt war Rodraeg innerhalb weniger Monde schon dem zweiten Mitglied dieses mysteriösen Ordens begegnet. Konnte das ein Zufall sein, oder lenkte Leribin auch dies? Von Quelle zu Quelle, von Element zu Element, von Zehnzahl zu Zehnzahl, von einem der Zehn zum nächsten?
    Die Gezeitenfrau schien ihren Erinnerungen nachzuhängen. Vorsichtig fragte Rodraeg: »Ihr … solltet die Götter beerben?«
    Sie schmatzte unzufrieden. »Das war ein dummes Unterfangen, von Narren erdacht. Die Götter waren fortgezogen, woanders hin, wo sie noch spielen konnten, und überließen den Kontinent den Menschen. Den Menschen, wohlgemerkt, nicht den Schmetterlingen oder den Riesen. Den Menschen dürstete nach Führung. Weshalb also nicht die Götter nachbilden? Ein dummes Unterfangen, von Narren erdacht! Die Großen Zehn waren in Wirklichkeit ganz kleine Zehn. Sie stritten sich um Anteile und Macht. Riban, welcher der Strahlendste war von allen, löste den Bund. Die Zehn zerfielen, die meisten von ihnen verwelkten und starben im Lauf der Jahrzehnte. Doch Riban ließ der Gedanke nicht los. Vor den zehn Göttern hatte es Den Einen gegeben. Der den Kontinent schuf. Aus dessen Körperteilen die Zehn erwuchsen. Zwei aus jedem Arm, zwei aus jedem Bein, einer aus dem Rumpf, einer aus dem Kopf. Riban ließ das keine Ruhe: War es möglich, war es denkbar, daß ein einzelner Magier Der Eine werden konnte? Konnte er selbst das sein, weil er der Strahlendste war von allen? Oder war es Wahnsinn und Vermessenheit, so zu denken? Er zweifelte und haderte, forschte und versuchte. Als er dann langsam einer Lösung näher kam,

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