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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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wir nach eurem Boot.« Die Gezeitenfrau erhob sich und watete wie durch lediglich hüfthohes Wasser dem Ufer entgegen, während die Treidelmagierin und der Mammutanführer jeweils eine ihrer Hände ergriffen und sich von ihr durchs Meer ziehen ließen, das zumindest unter Danahes und Rodraegs Füßen tief und klamm und ewig war.
    Das Boot war ganz geblieben, und in ihm Hellas, der die ganze Zeit über lachte und seine unglaubliche Geschichte zu erzählen hatte, während er den anderen zu sich ins Boot half.
    Â»Ich konnte gerade noch das Seil durchschneiden, mit dem ich das Boot am Haus festgemacht hatte«, berichtete der Bogenschütze, der als einziger nicht vollständig durchnäßt war. »Dann hebt die Riesenwelle mich an und trägt mich vor sich her wie einen Korken. Es war unglaublich, atemberaubend! Die ganze Zeit denke ich, daß ich an den Klippen zerschmettert werde mitsamt dem Boot, sobald die Welle dort gegenschlägt, also greife ich mir ein Ruder und paddele wie irre in der Wasserwand zurück, so daß ich hinter den Kamm gelange. Dann hämmert die Welle gegen die Felsen wie ein Feldzug der Riesen, und mein Boot wird von den bereits wieder zurückprallenden Wassermassen gebremst, es geht auf und ab und rundherum wie in Strudeln, wie ein Tanz auf einer Springquelle!« Er lachte wieder.
    Seine Augen leuchteten, wie Rodraeg das noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Es war offensichtlich, daß Hellas unter Schock stand. »Aber das Boot hält einfach durch und dicht, und ich halte mich in ihm fest und reite in einer Nußschale zwischen den Klippen herum, bis alles sich wieder beruhigt und senkt und … ich Bestar sehen konnte, der sich gerade fluchend auf einen vorgelagerten Felsen hochzog.«
    Â»Wo ist er?« fragte Rodraeg.
    Â»Er wollte tauchen gehen, rief er mir zu. Nach einem Helm.«
    Â»Der Spinner! Laß ihn uns holen und dann nach Eljazokad suchen.«
    Bestar schwamm tatsächlich nicht weit entfernt im sanddurchwirbelten Wasser herum. Als er die anderen bemerkte, gab er seine Suche auf und zog sich hoch zu ihnen ins Boot. Seine Ausrüstung nahm er an sich wie einer, der nicht erwartet hatte, daß sie vielleicht inzwischen hätte verlorengehen können. »Keine Spur von den beiden. Sind wahrscheinlich abgesoffen. Zu schade, ich hätte gerne mal einen Blick unter diesen Helm geworfen.«
    Â»Waren es nicht drei?« fragte Rodraeg, der immer noch leichte Mühe hatte, seinen Verstand zusammenzuhalten.
    Â»Einen habe ich schon vor der Welle mit einem Pfeil erledigt«, erklärte ihm Hellas geduldig, und Rodraeg antwortete mit: »Ach so. Stimmt ja.«
    Die Gezeitenfrau kauerte im Bug wie eine verschrobene Galionsfigur und blickte aufs offene Nachtmeer hinaus. »Sie begegnen sich, zum ersten Male wohl. Ich hoffe, er beherzigt meinen Rat. Schlagt die Ruder, Kinderlein, nach dorthinaus!« Sie deutete weg von der Küste.
    Bestar, Hellas, Rodraeg und auch Danahe begannen zu rudern.
    Ringsum war nichts als feuchte Nacht. Dann schälte sich die Stadt aus den Wassern wie ein bewaldeter, nebelumflorter Berg, eine Stadt der eintausend Segel und zweitausend Galeerenruder.
    Eljazokad, der kaum noch bei Bewußtsein war, nachdem die Welle ihn in einem Strömungssog hinausgerissen hatte aufs offene Meer, blickte nach oben. Wellen plätscherten ihm über die Unterlippe in den Mund. Der gewaltige Rumpf des riesigen Schiffes glitt so dicht an ihm vorüber, daß er das kalfaterte Teer riechen konnte und die Muschelkolonien, die den Kiel bewucherten. Über und hinter ihm tauchten die baumlangen Ruderblätter verlorener Sklaven in die Wellen, ein dumpfes, rhythmisches Donnern war zu vernehmen: der Taktschlag einer hausgroßen Kesselpauke.
    Unser Sohn ist für das Stadtschiff von Tengan bestimmt. Trage Sorge dafür, daß er seinen Träumen folgt, sonst wird er dem Schiff ins Netz gehen. Von einem Netz war nichts zu spüren, und dennoch war Eljazokad vollständig im Sog der unwirklichen Erscheinung verfangen.
    Nahe bei ihm klatschte ein Fallreep zu Wasser, und eine hohle Stimme rief ihn an: »Heda, Seelenkamerad, gib uns deinen Namen, dann holen wir dich ein!« Eljazokad versuchte, hinter dem eigenartig verzierten Schanzkleid einen Sprecher auszumachen, doch so weit hoch reichte sein Augenlicht bei Mondschein nicht.
    Sie wollten seinen Namen. Die Gezeitenfrau hatte ihn gewarnt. »Eljazokad!

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