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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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durchschnitten oder ausgekratzt worden.
    Â»Sie haben ihm das Augenlicht genommen«, sagte Eljazokad fassungslos. »Deshalb konnten sie den Schlüssel deutlich sichtbar vor ihn hinhängen.«
    Â»Ihr Götter!« entfuhr es Rodraeg, ein Ausruf, der allgemein gebräuchlich war, auch wenn Rodraeg nie wirklich an die Götter geglaubt hatte. »Auch noch eine Kette! Und die Eimer sind voll mit widerlichstem Unrat. Nirgends Nahrung oder trinkbares Wasser. Er ist mehr tot als lebendig.«
    Â»Sie müssen ihn sehr fürchten. Siehst du das hier? Sie haben Symbole in den Boden gekratzt, magische Formeln, um seine Macht zu bannen. Die Entkräftung, die Bannsymbole, die Kette, die Leuchtfäden, die verschlossene Tür, sieben Mann zur Bewachung, dann noch die Lage des Schiffes im Hafen: Das sind sieben Absicherungen, damit er nicht entkommen kann.«
    Rodraeg ging neben dem nur schwach Röchelnden in die Hocke. »Könnt Ihr mich verstehen? Wir werden Euch zu einem Heiler bringen, habt bitte keine Angst vor uns.«
    Â»Wie kriegen wir die Kette auf?«
    Â»Bestar?« sagte Rodraeg nach hinten. »Wir haben hier eine rostige Kette zu knacken.«
    Bestar kam zu ihnen und sah sich die Konstruktion fachmännisch an. Er zog an der Kette – die Wandverankerung war stabil. »Mit dem Schwert draufhauen bringt nichts, da mache ich mir nur die Klinge kaputt. Aber ich weiß, wo es hier Werkzeuge gibt.« Er verließ die Zelle.
    Auch Eljazokad hockte sich nun hin. Die Handgelenke des Gefangenen waren dort, wo die Kettenringe sie umschlossen, faulig entzündet. Die Bauchdecke unter den deutlich zählbaren und von Tritten und Schlägen verfärbten Rippen bewegte sich atmend, ansonsten hätte hier auch eine verhungerte Mumie liegen können. Behutsam wie bei seiner Arbeit an den Leuchtfäden tröpfelte der Magier der Mumie etwas Trinkwasser auf Lippen und Mund. Der Zwergwüchsige begann zu murmeln.
    Â»Uikoe«, konnte Eljazokad verstehen, als er mit dem Ohr näher heranging. »Uikoe.« Immer wieder dasselbe Wort. »Uikoe.«
    Â»Vielleicht sein Name«, mutmaßte Rodraeg, der ebenfalls näher herangekommen war.
    Â»Vielleicht aber auch sein Gott. Oder es heißt einfach: Hilfe. Oder: Wasser.« Eljazokad gab ihm mehr Wasser und fuhr ihm beruhigend über die klebrigen Haare.
    Bestar kehrte zurück, mit einem eisernen Belegnagel in der Hand. Energisch machte er sich an die Arbeit, schlug damit auf die Kette ein, um sie mürbe zu klopfen. »Der ist ja noch schwärzer als ich jetzt«, knurrte er zwischen Schlägen. »Ist das ein Dämon des Geisterfürsten?«
    Â»Quatsch«, sagte Rodraeg barscher als beabsichtigt. »Das ist ein Regenwaldmann. Auf dem Sklavenmarkt von Diamandan habe ich mal Frauen von seinem Volk gesehen, kleinwüchsig und zierlich. Für Reiche, die es lieben, ihre Bediensteten wie Puppen anzuziehen. Du hast doch auch schon mal einen Schwarzen gesehen: Timbare, in Warchaim, bei unserem ersten Gespräch, schon vergessen?«
    Â»Der hier ist aber noch viel dunkler.«
    Â»Also kommt er wahrscheinlich aus dem noch viel tieferen Regenwald, nicht aus den Randgebieten, für die Timbare streitet. Kommst du klar mit der Kette?«
    Â»Kein Problem. Das hier ist das schwächste Glied. Hat mir Migal beigebracht, schon vergessen?« Bestar grinste über diesen Konter. Drei Schläge später zersprang das Metall der Kette.
    Â»Nimm du ihn, du bist der Kräftigste«, schlug Eljazokad Bestar vor. »Du mußt ihn ganz vorsichtig über die Symbole hinwegheben, möglichst ohne daß er sie berührt. Falls dennoch etwas passiert, setzt du ihn wieder in den Symbolkreis zurück.«
    Bestar war nicht begeistert darüber, den völlig verschmutzten, nackten Fremden tragen zu müssen, aber daß nur ihm das zugetraut wurde, versöhnte ihn wieder. Vorsichtig nahm er den Gefangenen auf. Er war federleicht, wog höchstens dreißig Festliter. Nichts passierte, als Bestar den Zwergwüchsigen über die Symbole hob. Es passierte auch nichts, als er mit ihm den ehemals von bunten Fäden verhängten Raum durchquerte. Erst als sie die Tür erreichten, spürte Bestar plötzlich, wie das Schwert an seinem Schenkel glühend heiß wurde.
    Mit einem Aufschrei setzte Bestar den Gefangenen ab und zog sich das Schwert aus den Lederbändern. Auch der Griff war so heiß, daß es an

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