Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Mädchen sich von einem hübschen Kerl hat schwängern lassen, der anschließend über alle Berge ist.«
    Â»Ja, das habt ihr Männer euch fein eingerichtet. Der Kerl, der über alle Berge ist und sich aller Verantwortung entzieht, gilt als toller Hecht und die werdende Mutter als billig. Manchmal hasse ich euch alle. Aber dann wiederum erkenne ich, daß ihr auch nur Gefangene eurer Regeln und Vorurteile seid, und dann finde ich genug Mitleid in mir, um euch lieben zu können.«
    Stolz ging sie an ihm vorüber, und er folgte ihr im Abstand von einigen Schritten. Auf dem ganzen Weg bis zur Haustür des Mammuts holte er sie nicht mehr ein, und er folgte ihr auch nicht ins Haus, sondern ging weiter bis zur großen Nord-Süd-Straße und von dort aus südwärts. Erst an den Ruinen des Alten Tempels blieb er stehen und setzte sich auf eine geborstene Säule.
    Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
    Naenn trug ein Kind in sich.
    Das Kind von Ryot Melron, dem Dieb, Schläger, Prahlhans, Mörder, Lump. Der ihm sein Schwert geschenkt hatte, um sie damit zu beschützen.
    Sie. Naenn. Der Lichtstrahl, der durch das Schlüsselloch einer verriegelten Tür in sein Leben gefallen war.
    Rodraeg fühlte sich jeglichen Antriebs beraubt.
    Wale retten: wozu noch? Gegen die Königin und ihre Interessen anrennen: was für ein Irrsinn. Die Befehle eines mürrischen Magiers befolgen: Dummheit. Mit blutrünstigen Schwertfechtern und skrupellosen Bogenschützen loszuziehen, um gegen Übermächte und Unwägbarkeiten anzutreten: Verblendung. Überhaupt: sich die Probleme der Götter, Völker, Tiere und Flüsse anzueignen: unnötige Selbstzerfleischung, die eigentlich überhaupt nicht zu seinen Charaktereigenschaften gehörte.
    Also, weshalb hatte er das alles dann getan? Wozu hatte er einundvierzig Tage Gefangenschaft und Zwangsarbeit samt Vergiftung in Kauf genommen? Warum war er losgestürmt mit diesen konfliktbeladenen Jünglingen und auch jetzt wieder bereit gewesen, ein zweites Mal loszustürmen, um Dinge geradezurücken, die weit außerhalb seines persönlichen Verantwortungsbereiches aus dem Lot geraten waren?
    Alles nur, um eines Tages in den Armen dieser zarten Schönheit zu zerschmelzen? War er wirklich nur das? Ein ältlicher Mann mit schmutzigen Gedanken, der mehr für sich erhoffte, als ihm zustand?
    Nein.
    Das konnte nicht wahr sein.
    Das war nicht wahr.
    Naenn und Ryot. Warum eigentlich nicht? Genauso gut hätten es Naenn und Hellas sein können, oder Naenn und Migal. Naenn und Cajin. Naenn und irgend jemand, dem sie noch begegnen würde. Warum also nicht Ryot? Ryot hatte immerhin bewiesen, daß Rodraeg ihm in vielerlei Hinsicht nicht das Wasser reichen konnte. Insofern war es ein gerechter Wettstreit gewesen. Und Rodraeg hatte gerechter verloren.
    Naenn war glücklich damit. So weit das in ihrer Lage überhaupt möglich war. Vielleicht nicht glücklich, aber gefaßt. Rodraeg mußte auch gefaßt sein. Es war seine von allen Göttern verlassene Pflicht, gefaßt zu sein. Für sie da zu sein, wenn sie ihn brauchte. Andernfalls war er nichts weiter als ein selbstsüchtiger Schuft, verkommener noch als Ryot, der sich nichts genommen hatte, was ihm nicht vorher zu Füßen gelegt worden war.
    Rodraeg erhob sich wieder. Vielleicht lag es an diesem Schauplatz vergangener Größe und zertrümmerter Anmut, der in Warchaim schnell zu seinem Lieblingsort geworden war, daß er sich bedeutend besser fühlte. Immerhin war Naenn noch da. Sie hätte ja auch durchbrennen können mit Ryot. Aber so hatte Rodraeg sie immer noch um sich. Und nur, weil er sich nichts darunter vorstellen konnte, daß ihre Magie ihr eingeflüstert hatte, eine Dummheit zu begehen, hatte er nicht das Recht, sie herablassend zu behandeln. Vielleicht hatte sie ja auch tatsächlich genau das Richtige getan und ihm und allen anderen Menschen und Unmenschen des Kontinents ein ausgesprochen persönliches Opfer gebracht.
    Es war eine ganz spontane Entscheidung, durch kein Für und Wider abgewogen: Rodraeg ging zum Tempelbezirk und betrat dort den wuchtig wie ein moosüberwucherter Felsen in der Mitte der anderen Gebäude thronenden Kjeertempel.
    Drinnen war es schummrig und roch nach frisch aufgebrochenem Erdreich. Es gab keine Statue des Kjeer, die den großen Innenraum beherrschte. Statt dessen eine Art

Weitere Kostenlose Bücher