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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Naenns Lippen geachtet, ob sie sich öffneten, um zu sprechen, aber sie blieben verschlossen.
    Auf dem Rückweg nach den Übungen waren sie vor zwei Monden hier im Wald einer jungen Frau begegnet, Meldrid, einer Dienerin im Hause Figelius, die zwischen den Sträuchern auf Beerensuche gewesen war. Bestar und Migal waren ganz aufgeregt gewesen angesichts der Schönheit dieser Frau. Rodraeg jedoch konnte sich kaum noch an sie erinnern. Er hatte immer nur Naenn vor Augen; wenn sie bei ihm war, wie jetzt, oder wenn sie fern war, und selbst wenn er die Augen geschlossen hielt. Er benahm sich närrisch, das wußte er selbst. Er war alt genug, ihr Vater zu sein, und sie war innerhalb des Mammuts kostbarer und wertvoller als er. Rodraeg hoffte nur, daß sie nicht über seine Gedanken mit ihm reden wollte, daß sie nicht erneut in ihn hineingesehen und ihn gelesen hatte wie ein aufgeschlagenes Buch, und ihn nun zur Rede stellte wie einen Schuljungen, der bei etwas Unanständigem ertappt worden war.
    Naenn ging am glitzernden Ufer auf und ab, versteifte sich dann und blieb stehen. »Ich muß dir etwas Wichtiges sagen«, seufzte sie.
    Â»Nur zu.«
    Â»Ich … ich …« Sie sah sich wie hilfesuchend um. »Ich kann nicht mitkommen. Nach Wandry.«
    Â»Warum nicht? Ich habe es dir doch versprochen.«
    Â»Ich kann… in nächster Zeit eigentlich überhaupt nirgendwohin mehr mitkommen. Ich … sollte besser … zu Hause bleiben. In Warchaim. Ich muß zu Hause bleiben. Ich bin schwanger.«
    Rodraeg wurde bleich, als hätte ihm jemand in den Bauch getreten. Er hatte mit allerhand Unwahrscheinlichem gerechnet, aber mit so etwas überhaupt nicht. Für einen Moment war er selbst überrascht, wie sehr ihn diese drei Worte schockten.
    Â»Aber … aber … das verstehe ich nicht…«, stammelte er. »Wann bist du denn …? Als wir in Terrek waren?«
    Â»Nein.«
    Â»Aber … dann warst du schon schwanger, als wir uns in Kuellen … das erste Mal begegnet sind?«
    Â»Nein.«
    Â»Das verstehe ich nicht. Wir waren doch ansonsten die ganze Zeit zusammen. Und ich habe nichts getan.«
    Â»Nein. Auch eine Schmetterlingsfrau kann nicht von einem gemeinsamen Traum schwanger werden.« Sie war jetzt weniger zittrig als er. Einmal die Worte ausgesprochen, gewann sie wieder an Kraft. Aber was meinte sie damit? Was meinte sie genau? Rodraeg versuchte, nicht von Verzweiflung übermannt zu werden. Er konnte kaum noch atmen. Ihm war, als würde er ohnmächtig, und diesmal hatte der Husten nichts damit zu tun.
    Sie sah ihn nicht an, aber ihre Worte durchbohrten ihn wie Messer. »Erinnerst du dich an die drei Wegelagerer, die uns vor Aldava überfallen haben?«
    Â»O nein. Naenn, sag, daß das nicht wahr ist.«
    Â»Ryot Melron von der Roten Wand. Als du bewußtlos am Boden lagst.«
    Jetzt mußte er sich tatsächlich setzen, um nicht zu stürzen. Der Uferboden war hart und warm. Rodraeg wollte husten, aber er konnte nicht.
    Ryot. Der gutaussehende Scheißkerl. Der ihn überrumpelt hatte, ihm den Säbel seines Onkels gestohlen und ihm dafür diesen verfluchten Anderthalbhänder dagelassen hatte, den niemand, der kein Klippenwälder war, vernünftig führen konnte. Der sich Naenn genommen hatte. Den Schmetterling. Das unerreichbare Licht.
    Â»Seine beiden Kumpane?« fragte Rodraeg.
    Â»Die hat er weggeschickt. Wir waren allein. Und es war keine Vergewaltigung.«
    Â»Was?« schrie Rodraeg. »Was erzählst du mir da für einen Mist?!«
    Â»Es war keine Vergewaltigung«, wiederholte sie, jede einzelne Silbe betonend wie im Gespräch mit einem Schwachsinnigen. »Er hatte sogar ein wenig Angst. Er zitterte. Ich wollte ihn mehr als er mich.«
    Â»Ich bin verrückt geworden«, rief Rodraeg aus. »Das kann doch alles nur ein Fiebertraum sein! Was erzählst du mir da? Daß du diesen Krieger und Mörder … du hast ihn doch selbst als Mörder bezeichnet… verführt hast? Nachdem er mir fast den Schädel eingeschlagen hat? Das Ganze ist ein Witz, oder? Das kann doch nur ein Witz sein?! Irgendein komplizierter Schmetterlingsmenschenfrauenmädchenscherz, weil heute irgendein Jahrestag ist und man gutgläubige Trottel für dumm verkauft. Stimmt’s?«
    Sie setzte sich neben ihn auf den kargen Boden, und dann tat sie etwas, was ihn noch mehr aufwühlte als

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