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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Wetter zusammenhängt. Deshalb gab es eine ganze Menge Seefahrtslektüre in der Ordensbibliothek. Das Stadtschiff von Tengan ist wohl nur eine Legende, aber wie bei jedem gutgesponnenen Seemannsgarn taucht alle paar Jahre jemand auf, der dieses Schiff gesehen haben will.«
    Â»Könnte es sein, daß so jemand mit uns hier am Tisch sitzt?« fragte Rodraeg.
    Â»Nein, da muß ich euch enttäuschen«, sagte Eljazokad. »Ich habe das Stadtschiff noch nicht zu Gesicht bekommen. Jedenfalls nicht im Wachzustand. Ihr haltet mich wahrscheinlich für einen ziemlich sonderbaren Gesellen, aber das Stadtschiff von Tengan ist ein weiterer Traum, dem ich folge. Auch daran ist wohl meine Mutter schuld. Ich habe bereits erzählt, daß mein Vater ein Magier war. Von ihm habe ich meine bescheidenen übernatürlichen Fähigkeiten geerbt. Kennengelernt habe ich ihn aber nie. Er starb oder verschwand kurz nach meiner Geburt. Die letzten Worte, die er an meine Mutter richtete, lauteten: Unser Sohn ist für das Stadtschiff von Tengan bestimmt. Trage Sorge dafür, daß er seinen Träumen folgt, sonst wird er dem Schiff ins Netz gehen. Meine Mutter schärfte mir diese Worte bei jeder sich bietenden Gelegenheit ein. Im Klartext heißt das soviel wie: Wenn ich sterbe, wird mich das Stadtschiff holen, und was mir dann bevorsteht, ist alles andere als erbaulich. Der Dienst auf dem Schiff dauert Jahrtausende, und die Arbeitsbedingungen sind unmenschlich grausam und hart.«
    Â»Du glaubst an dieses Schiff der Toten?« fragte Rodraeg.
    Eljazokad nickte. »Ich habe zu oft davon geträumt, um zu zweifeln.«
    Â»Bei uns in den Sonnenfeldern glaubt man an den Geisterfürsten«, bemerkte Rodraeg. »Wer zu Lebzeiten böse und ungerecht war, wird nach dem Tod ein geisterhafter Vasall in den Armeen des untoten Herrschers. Oben in Hessely, wo ich ein paar Monde gearbeitet habe, glaubt man an Himmel und Hölle. Ein Platz in den lichtdurchfluteten Weiten des Himmels ist Belohnung für gute Taten; die Hölle, die in etwa dem Land der Affenmenschen entspricht, winkt dem, der hartherzig und geizig war. In Aldava wiederum glaubt man einfach daran, daß die Götter einen zu sich holen, ohne Belohnung oder Strafe, aber welcher Gott einen bei sich aufnimmt, richtet sich danach, welchem man zu Lebzeiten am meisten zugearbeitet hat. Wie ist das bei euch in den Klippenwäldern, Bestar?«
    Bestar zog laut die Nase hoch. »Die Tapferen gehen zu den Ahnen und kämpfen Seite an Seite mit ihnen in der ewigwährenden Schlacht gegen Affenmenschen und anderes Dämonenpack. Die Feiglinge jedoch verrotten in der Erde.«
    Â»Was wird aus Frauen, die nicht kämpfen wollen?« fragte Naenn.
    Bestars Gesicht leuchtete auf. »Frauen sterben nicht. Sie werden verehrt und leben in unseren Herzen weiter. So ist das!« Er stieß mit Cajin seinen Milchkrug an, so daß weißer Schaum überschwappte.
    Â»Woran glauben die Schmetterlingsmenschen?« fragte Rodraeg Naenn.
    Â»An Wiedergeburt. Nichts stirbt für immer. Alles lebt aufs neue, in völlig anderer Form und in endlos sich wandelndem Kreislauf. So lernen wir, alles Leben zu respektieren, denn die Ameise, auf die du unachtsam trittst, könnte deine verstorbene Mutterschwester sein, in deren Schuld du auf ewig stehen wirst.«
    Rodraeg ließ Naenns Worte einwirken, dann fragte er auch noch die anderen beiden. »Cajin? Wie steht es mit… was war es noch mal? Siberig?«
    Â»Erst Siberig, später Gagezenath. Beide Städte standen nicht unter Herrschaft des Geisterfürsten, waren aber nahe genug an der Grenze zu seinem Reich der Schatten und des Schrekkens, um auch heute noch den ungezogenen Kindern mit ihm zu drohen. Die Guten kommen zu den Göttern in das innere Wesen der Dinge, die Bösen werden in die Schattenfelder verschleppt.«
    Â»Schattenfelder.« Dieser Begriff verursachte Rodraeg eine Gänsehaut. Als Schattenfelder hatte man die Sonnenfelder bezeichnet während der beinahe vierzigjährigen Gewaltherrschaft des Geisterfürsten. »Und bei dir, Hellas? Woher stammst du eigentlich?«
    Â»Aus einem unbedeutenden Kaff in der Nähe von Somnicke. Bei uns herrschten der Einfluß und die Nähe der Hauptstadt vor. Das heißt: Die Götter nehmen sich deiner an. Da aber fast niemand mehr an die Götter glaubt, ist das alles nur halbvergessene Theorie, und man fällt beim Sterben

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