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Die letzten Worte des Wolfs

Die letzten Worte des Wolfs

Titel: Die letzten Worte des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Götter sein. Mir erschien im Traum ein Kind, ein kleines Mädchen, das sterbend auf einem Lager aus Fellen lag. Im Traum heilte ich dieses Kind – wie Träume sind, blieb mir verborgen, wie ich das anstellte, denn jegliche Heilkunde ist mir fremd. In einem metallenen Schild, der als Spiegel benutzt wurde, konnte ich einen kurzen Blick auf mich selbst erhaschen, und ich erkannte mich kaum wieder: mein Haar und mein Bart waren lang und durchzogen von Grau. Meine Kleidung war die eines heiligen Mannes, aber keinem mir bekannten Gott zugehörig. Das Mädchen schlug die Augen auf und sprach ganz deutlich die Worte: Ich bin ein Traum, verborgen in einem Irrgarten, verdunkelt durch ein Rätsel, entfernt durch einen Abgrund. Folge der Fährte des Mammuts, um mich zu finden. Wie immer in einem solchen Traum, wenn man wünscht, Fragen stellen zu können, deren Antworten einem weiterhelfen könnten, erwachte ich. Ich muß gestehen, daß ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht einmal sicher war, wie ein Mammut überhaupt aussieht. Glücklicherweise fand ich in einer Bibliothek am östlichen Stadtrand ein Exemplar der Encyclica, das mir ein Stück weit weiterhalf.«
    Â»Obwohl das Wort Ausgestorben Euch nicht gerade mit Zuversicht erfüllt haben wird«, folgerte Rodraeg.
    Eljazokad lächelte. »Sehr richtig. Ich wußte nichts mit dem Traum anzufangen.«
    Â»Was war das für ein Mädchen?« erkundigte sich Naenn. »Ein Menschenmädchen?«
    Â»Ja. Soweit ich das beurteilen kann. Vielleicht zwei oder drei Jahre alt. Dunkelhaarig. Sie hatte ungewöhnliche, mandelförmige Augen.«
    Â»An welcher Krankheit litt sie?«
    Â»Es war keine Krankheit. Sie war verletzt worden, angefallen von einem großen Tier. Ich konnte Blut sehen und Wunden. Dennoch habe ich sie geheilt, und zwar vollständig, und ich weiß nicht, wie ich das vollbracht haben mag. Jedenfalls hörte ich mich um, in Skerb. Ob irgend jemand irgend etwas mit dem Begriff Mammut anfangen konnte. Und nach einigen Tagen hatte ich Glück. Kennt ihr einen Siruphändler namens Jerennji Teckler?«
    Rodraeg schüttelte langsam den Kopf. Auch Cajin und Naenn verneinten stumm.
    Â»Wahrscheinlich ist er euch noch nie persönlich begegnet. Aber er erzählte mir etwas Interessantes. Zu Beginn des Regenmondes, also gut anderthalb Monde, bevor er mir in Skerb über den Weg lief, hatte er sich in Warchaim aufgehalten, der zweiten Station seiner jährlichen Verkaufsreise. Er hatte einen Stand auf dem Marktplatz, und sein Geschäft besonders mit dem Holunderblütensirup lief ausgezeichnet. Für einen einzigen Tag, so erzählte er mir, gab es unter den Aushängen am Warchaimer Rathaus einen, dessen Inhalt so rätselhaft war, daß er unter einigen Händlern lebhaft diskutiert wurde. Ich denke, ihr kennt den genauen Wortlaut besser, als Teckler ihn sich merken konnte. Aber unterschrieben war dieser Aushang mit Das Mammut. Als er mir das erzählte, wußte ich, wohin ich als nächstes gehen mußte.«
    Rodraeg schmunzelte. »Unser alter Gründungsaufruf. Wenn er wirklich so lebhaft diskutiert wurde, ist es eigentlich verwunderlich, daß sich nur vier Gestalten am Treffpunkt einfanden.«
    Â»Die Kunde darüber ist jedenfalls bis zur Westküste gedrungen«, bekräftigte Eljazokad. »Ich habe mich unverzüglich auf den Weg Richtung Warchaim gemacht, der Fährte des Mammuts folgend, so, wie mein Traum mir es aufgetragen hatte. Weil ich kein Geld hatte und den größten Teil des Weges zu Fuß gehen mußte, brauchte ich beinahe einen vollen Mond, um hier anzukommen. Gestern abend war es endlich so weit. Ich wußte, daß ich vor Aufregung ohnehin kein Auge würde zutun können in dieser Nacht, also beschloß ich, mir keine Scheune zum Schlafen zu suchen, sondern die nächtliche Stadt zu durchforsten wie einen Irrgarten, in der Hoffnung, ein Zeichen zu entdecken, den Beginn einer neuen Fährte oder vielleicht sogar ein leibhaftiges Mammut. Stundenlang strich ich, mich von Süden nach Norden voranarbeitend, umher, bis ich an eure Tür gelangte und meinen Augen kaum zu trauen wagte. Und hier bin ich nun. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer ihr eigentlich seid und was ihr tut und weshalb ihr euch Mammut nennt, aber es ist mir egal. Ich will für euch arbeiten. Deshalb bin ich hier.«
    Â»Wenn wir Halsabschneider und Lumpen wären,

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