Die letzten Worte des Wolfs
Adena war blutverschmiert, Teile ihres dünnen Nachtgewandes hingen ihr in verdrehten Fetzen vom Leib. Im linken Arm drückte sie ihr Kind an sich, dessen Hände und FüÃe vor innerer Anspannung zuckten. Adenas rechter Arm hielt ihr Schwert flach ins Gras gestreckt. Vom Schwert aus malte sich -durch Eljazokads Magie gerade noch sichtbar â eine Blutspur vom Mittelpunkt des Kreises bis nach auÃerhalb, bis zwischen die umstehenden Bäume.
Die Wölfe schienen sich nicht für Rodraeg, Hellas und Eljazokad zu interessieren. Sie umstrichen weiterhin Mutter und Kind, als warteten sie auf einen Befehl für Angriff oder Rückzug.
»Kommt nicht in den Kreis«, rief Adena den Neuankömmlingen zu. »Ich werfe euch Adeni nach drauÃen und dann rennt, was das Zeug hält.«
»Das bringt überhaupt nichts«, widersprach ihr Rodraeg. »Wer immer das Kind trägt, wird genauso umzingelt wie du jetzt. Wir kommen zu dir und kämpfen. Rücken an Rücken haben wir zu viert womöglich eine Chance. Hellas?«
»Meine Pfeile reichen nicht für alle. Es sind fünfzehn Stück, und bislang habe ich mindestens zwei Pfeile pro Wolf gebraucht. Wenn ich jetzt anfange, den Kreis auszudünnen, greifen die anderen wahrscheinlich die Frau an und reiÃen sie in Stücke.«
»Kostet dich dein Lichtzauber Kraft?«
Eljazokad nickte. »Es ist wie Wassertreten in einem See. Man kann es eine ganze Weile lang durchhalten, aber irgendwann verkrampft man und geht unter.«
»Dann schalte es ab. Sammle lieber Kraft für noch einen einzigen Blitz.«
Eljazokad sah Rodraeg fragend an, aber schon während dieses Blickes wurde es zwischen ihnen und um sie herum stockdunkel. Die Wölfe wurden lauter. Das Kind gluckste vergnügt.
»Hellas, kannst du Eljazokad deinen Degen leihen?«
»Ungern. Er könnte zwei Wurfmesser haben, aber die hängen an meinem Rucksack, und der liegt in unserem Schlafraum.«
»Dann bleib auÃerhalb des Kreises, Eljazokad. Wir schaffen das auch zu dritt.«
»Ich bleibe bei euch, das habe ich euch doch versprochen.«
»Was wollt ihr denn noch?« rief eine gräÃliche, schmatzend verformte Stimme aus dem Wald, in den die Blutspur wies. »Ihr habt schon vier getötet, seid ihr noch nicht satt?«
»Dasco?« rief Rodraeg zurück. »Oder sollte ich besser sagen: Skandor Rigan?«
Die Stimme lachte ein ganz unglaubliches, kehlig knurrendes Lachen. Auch die Wölfe keuchten mit. »Dasco. Rigan. Alles Namen. Alles Leben, die ich nahm. Das Kind ist meins. Ich habe es gezeugt.«
»Was redest du für einen Schwachsinn, du Ungeheuer?« schrie Adena ins Dunkel. »Dies Kind ist von mir und Terenz. Ein Kind der Liebe. So etwas wirst du niemals bekommen.«
»Erinnerst du dich nicht mehr an die Nacht der Empfängnis? Es war wild, es war ein Rausch des Begehrens, heiÃer noch als alles, was du bislang kanntest. Erinnerst du dich nicht mehr, wie du vor dir selbst erschrecktest? Es roch nach Schweià und Tier und Lust und Blut. Ich war zwischen euch. Ich sah durch seine Augen in dich hinein. Ich zerrià mit deinen Fingernägeln mein eigenes Fell. Dies Kind ist mein, Adena Harpa. Unser. Gib es mir jetzt.«
»Du willst es fressen, du Tier!«
»Ja, ich will es töten. Es soll nicht leben müssen. Kein Kind soll leben müssen, das so wird wie ich.«
»Was bist du?« mischte Rodraeg sich ein. Die Geschichte von dem Fängermagier namens Cingeco torkelte durch seinen Kopf. Die Schwängerungen wider Willen. Die in Bann gezogenen Tiere und Frauen. Sogar Naenn und Ryot. Alles umgab ihn und entglitt ihm wieder.
»Was ich bin?« fragte das verborgene Wesen zurück. »Was möchtest du denn, was ich bin? Was muà ich sein, um von dir begriffen zu werden? Soll ich ein Geist sein, der der Leidenschaft innewohnt? Ein Mörder, der unter Kindern seine Opfer sucht? Ein Fängermagier, dessen Fänge nur bei Mondlicht fangen? Ein Wahnsinniger, der trunken ist von eigener Macht? Ein Werwolf, den es nach jungem Menschenblut gelüstet? Ein Wesen, das um die Bankette der Götter strich, als diese sich noch zutranken und lachten, und das auf Reste hoffte, die von dem Fest zu ihm herunterfallen? Was willst du, sterbender Mann?«
Diese Anrede lieà Rodraeg merkwürdig kalt. Er konzentrierte sich viel zu sehr auf das, was er jetzt sagen muÃte, als daà ihn
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